Dr. Michael Thielemann, Dr. iur. Alexander Walter
1. Ausgangssituation
Rz. 377
Der Berufungsbeklagte, der sich nach Prüfung des erstinstanzlichen Urteils entschieden hat, nicht selbst ebenfalls Berufung gegen ein ggf. auch ihn beschwerendes Urteil einzulegen, kann sich auf die Fristenkontrolle (dazu Rdn 381 ff.) beschränken, ggf. auf den Vorschlag eines Stillhalteabkommens durch den Berufungskläger reagieren (dazu Rdn 177 f.) und nach Zustellung der Berufung, spätestens nach Eingang der Berufungserwiderung Überlegungen zur Rechtsverteidigung im Berufungsverfahren bzw. zur Möglichkeit einer Anschlussberufung anstellen.
Rz. 378
Bereits vor der eigenen inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Gegenstand des Berufungsverfahrens kann es auf die Mitwirkung des Berufungsbeklagten ankommen, wenn der Berufungskläger eine (weitere) über einen Monat hinausgehende Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist anstrebt, für die er nach § 520 Abs. 2 ZPO der Einwilligung des Berufungsbeklagten bedarf (näher Rdn 213 ff.). Um die Einwilligung muss sich der Berufungskläger selbst bemühen. Sie kann außergerichtlich erteilt und anschließend vom Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers gegenüber dem Berufungsgericht anwaltlich versichert werden. Im Regelfall wird die Einwilligung in der Praxis zumindest für eine weitere Fristverlängerung gewährt. Im einstweiligen Rechtsschutz sollte der erstinstanzlich obsiegende Verfügungskläger zur Vermeidung der Widerlegung der Dringlichkeit keine Einwilligung erteilen.
Rz. 379
Ebenfalls vor dem ersten eigenen inhaltlichen Berufungsschriftsatz kann der Berufungsbeklagten nach § 537 Abs. 1 ZPO beantragen, das erstinstanzliche Urteil im nicht angefochtenen Umfang für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Gem. § 537 Abs. 1 S. 2 ZPO ist eine Entscheidung des Berufungsgerichts aber erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zulässig. Danach ist die Antragstellung ohne Fristbindung bis zur Entscheidung der Hauptsache zulässig. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Antrag auf unbedingte Vollstreckbarkeit ist unanfechtbar (§ 537 Abs. 2 ZPO).
Rz. 380
Hinweis
Für den Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung nach § 537 ZPO sieht Nr. 3329 VV RVG eine 0,5-Gebühr vor. Ausnahmsweise fällt die Gebühr nicht an, wenn
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sich die Parteien nachträglich auch im Hinblick auf den gem. § 537 Abs. 1 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärten Teil des Urteils vergleichen oder |
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der Berufungskläger seine Berufung auf den ursprünglich nicht angefochtenen Teil erweitert. |
Trifft das Gericht die gem. § 91 ZPO zu treffende Kostenentscheidung nicht von Amts wegen, ist innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 321 Abs. 2 ZPO Urteilsergänzung zu beantragen. Wird diese Frist versäumt, kann beantragt werden, dass das Berufungsgericht – unter Berücksichtigung der Kostentrennung nach §§ 92, 97 ZPO – über den Kostenantrag entscheidet. Wird auch dies versäumt, muss der Berufungsbeklagte gegen den zahlungsunwilligen Berufungskläger einen Erstattungsprozess führen.
2. Fristenkontrolle
a) Ausgangslage
Rz. 381
Nach Urteilszustellung muss sich die obsiegende Partei – ebenso wie die unterlegene Partei – um die Fristenkontrolle kümmern. Bereits hiermit beginnt für sie gedanklich das Berufungsverfahren.
Rz. 382
Zuerst muss der Berufungsbeklagte bereits in Ansehung des bevorstehenden Berufungsverfahrens:
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die Tatbestandsberichtigungsfrist (zwei Wochen ab Zustellung) beachten, um nicht mit solchen tatsächlichen Ausführungen präkludiert zu sein, über die der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils keinen Beweis liefert (näher Rdn 63 ff.), |
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die Urteilsergänzungsfrist (zwei Wochen ab Zustellung) einhalten, wenn der Tenor der anfechtbaren Entscheidung unvollständig ist (näher Rdn 76 ff.). |
Rz. 383
Arrest und einstweilige Verfügungen müssen gem. § 929 Abs. 2 ZPO binnen Monatsfrist vollzogen werden. Jede zulässige Berufung gegen eine Urteilsverfügung ist schon dann erfolgreich, wenn der Berufungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung nicht die ordnungsgemäße Vollziehung gem. § 929 Abs. 2 ZPO nachweisen kann. Zum Nachweis der Vollziehung reicht der Nachweis der Urteilszustellung von Amts wegen nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine Zustellung der Urteilsverfügung im Parteibetrieb.
b) Berufungserwiderungsfrist und Anschlussberufungsfrist
aa) Fristsetzung
Rz. 384
Eine gesetzlich normierte Berufungserwiderungsfrist gibt es nicht. Der Vorsitzende oder das Berufungsgericht kann dem Berufungsbeklagten gem. § 521 Abs. 2 S. 1 ZPO eine Frist zur schriftlichen Berufungserwiderung von mindestens zwei Wochen (§§ 521 Abs. 2 S. 2, 277 Abs. 3 ZPO) setzen. Die Frist ist zu notieren. Sie ist zugleich für die Anschlussberufung maßgebend (§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO). Die Berufungserwiderungsfrist ist keine Notfrist; sie kann deswegen auf Antrag des Berufungsbeklagten verlängert werden. Die strengen Bestimmungen für die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO) gelten für die Berufungserwiderungsfrist nicht.
Rz. 385
Regelmäßig bestimmt der Vorsitzende, dass die Berufungserwiderungsfris...