Rz. 155

Gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f ErbStG entsteht die Steuer in den Fällen des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG mit dem Zeitpunkt des Verzichts auf den Pflichtteilsanspruch. Auf den Zufluss oder die Erfüllung der Gegenleistung kommt es demnach nicht an.[207] Dies gilt selbst dann, wenn von vornherein vereinbart war, dass die Gegenleistung, also die Abfindung, erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt fließen soll.[208] Dies wird in zahlreichen Fällen, in denen die Erfüllung hinausgeschoben wird, unerwünscht sein.

 

Rz. 156

Den vorstehend bezeichneten Grundsatz hat der BFH jüngst eingeschränkt: Vereinbart der überlebende Ehegatte bei einem Berliner Testament den Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch mit seinen Abkömmlingen gegen eine Abfindung, die jedoch erst mit dem Ableben des länger lebenden Ehegatten fällig werden soll, so hat der BFH[209] den Abzug dieses Abfindungsbetrages nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG versagt. Es fehle nach Auffassung des BFH an einer tatsächlichen Beschwer durch den Erben. Korrespondierend sei entgegen § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f ErbStG die Vermögenszuwendung bei den Abkömmlingen nicht bereits im Zeitpunkt des Verzichts auf den Pflichtteil zu erfassen, sondern steuerrechtlich vollständig zu ignorieren. Dies folgt nach den knappen und schlecht begründeten Ausführungen des BFH aus einer bloßen korrespondierenden Besteuerung. Dies ist nicht überzeugend. Die Abkömmlinge verzichten bereits sofort auf ihren Pflichtteilsanspruch, sie erbringen mit sofortiger Wirkung ein Vermögensopfer und erhalten dafür einen Anspruch, der zwar erst mit dem Ableben des länger lebenden Elternteiles fällig wird. Dieser Anspruch ist gleichwohl und entgegen der Ansicht des BFH bei den Abkömmlingen nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f ErbStG zu erfassen und entfällt insoweit auf die Freibeträge des vorverstorbenen Ehegatten. Der vom länger lebenden Ehegatten später den Kindern anfallende Erwerb ist um diesen Anspruch u.E. zu mindern. Soweit der BFH in seiner Entscheidung vom 27.6.2007 anders entschieden hat, vermag dies nicht zu überzeugen.

 

Rz. 157

 

Praxishinweis

In derartigen Fällen ist es zivilrechtlich zur Absicherung des Pflichtteilsberechtigten und auch steuerlich sinnvoll, den Verzicht, also den Erlass des Pflichtteilsanspruchs, aufschiebend bedingt durch die Erfüllung der Übereignungspflicht hinsichtlich der Abfindung zu vereinbaren. Durch entsprechende Regelungen über den genauen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Verzichts kann der Zeitpunkt der Steuerpflicht, damit aber auch der Zeitpunkt der Berücksichtigung gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG, gesteuert werden.

[207] Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 3 Rn 332.
[208] Vgl. auch RFH v. 26.1.1934 – V e.A. 1037/31, RStBl 1934, 444.
[209] BFH v. 27.6.2007 – II R 30/05, DStR 2007, 1436 = ZErb 2007, 469 = ZEV 2007, 502 m. Anm. Wälzholz; die Vorinstanz FG Düsseldorf v. 4.5.2005 – 4 K 247/03 Erb, DStRE 2005, 1344 gelangte über § 42 AO zu demselben Ergebnis wie der BFH; siehe dazu auch Müller/Grund, ZErb 2007, 205, 210.

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