Rz. 108

Eine mögliche steuerorientierte Vorgehensweise besteht in der Ausschlagung der Erbschaft durch den länger lebenden Ehegatten gegen Einräumung einer Abfindung.[160] Auf diese Art und Weise geht im Beispiel (siehe Rdn 103) der Nachlass auf die beiden Kinder K 1 und K 2 als Ersatz- und Schlusserben über. In der Abfindungsvereinbarung können wiederum wesentliche Bestandteile des Nachlassvermögens auf den länger lebenden Ehegatten E 2 übertragen werden. Auf diese Weise lässt sich eine maßgeschneiderte Verteilung des Vermögens zwischen E 2 und den Kindern K 1 und K 2 auch nach dem Ableben des Erstversterbenden erreichen. Der länger lebende Ehegatte kann ferner aufgrund der Ausschlagung nach § 1371 Abs. 3 BGB den konkret zu berechnenden Zugewinnausgleich und den kleinen Pflichtteil verlangen. Der Zugewinnausgleich ist dabei nach § 5 Abs. 2 ErbStG vollständig von der Erbschaftsteuer befreit.[161] Zutreffend ist der Hinweis von Sasse und Moench,[162] dass in Extremsituationen auf den Einwand des Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) Acht zu geben ist. Dieser Einwand ist jedoch ausgeräumt, wenn auch wesentliche außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung bestehen.

 

Rz. 109

 

Praxishinweis

Wurde vor dem Ableben des Erstversterbenden keine gründliche Nachfolgeplanung betrieben, sollte möglichst zeitnah, also innerhalb der Ausschlagungsfristen, geprüft werden, ob im Hinblick auf die steuerlichen Folgen ggf. Korrekturbedarf für eine Ausschlagung gegen Abfindung besteht. Demgegenüber gibt es für die Geltendmachung des Pflichtteils keine festen Fristen.

[160] Vgl. Bühler, BB 1997, 551, 554. Die Ausschlagung gegen Abfindung wird von der h.M. einkommensteuerlich als entgeltliches Veräußerungsgeschäft behandelt. Zu den einkommensteuerlichen Auswirkungen im Hinblick auf § 17 EStG und § 23 EStG oder eine Gewinnrealisierung im Betriebsvermögen vgl. BMF v. 11.1.1993 – IV B 2 – S 2242–86/92, BStBl I 1993, 62 Tz 40; Gottwald, MittBayNot 2001, 8, 11; Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rn 591 m.w.N.; Märkle, DStR 1993, 1616, 1619; Groh, DB 1992, 1312, 1313/1314; Korn/Strahl, NWB Fach 3, S. 11609, 11617; Heiliger, ZEV 2001, 432 f.; Tiedtke/Wälzholz, BB 2001, 234 ff.; dies., ZEV 2002, 183 ff.; a.A. Spiegelberger, Vermögensnachfolge, Rn 674; Hannes, ZEV 1996, 10, 14.
[161] Vgl. zum Ganzen einschließlich Überlegungen zur ehevertraglichen Gestaltung auch Weinmann, in: Moench/Weinmann, ErbStG, § 5 Rn 44; Sasse, ZEV 1996, 20; ders., BB 1994, 1190; Piltz, ZEV 1995, 330.
[162] Weinmann, in: Moench/Weinmann, ErbStG, § 5 Rn 44; Sasse, ZEV 1996, 20.

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