Rz. 53

Im Grundsatz liegt in dem bloßen Verlangen nach Auskunft über den Bestand des Nachlasses (§ 2314 BGB) und die Höhe eines Pflichtteilsanspruchs nach zutreffender Meinung noch keine Geltendmachung.[70] Derartige Maßnahmen können allein der Vorbereitung der Entscheidung dienen, ob der Anspruch geltend gemacht werden soll oder nicht.[71] Allerdings kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. In anderen Fällen kann mit dem Auskunftsersuchen gleichzeitig auch das Verlangen des sich rechnerisch nach der Auskunft ergebenden Pflichtteilsanspruchs verbunden werden. Dann ist gleichzeitig die Geltendmachung des Pflichtteils i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 ErbStG verwirklicht. Dies zeigt das Verfahren des FG Rheinland-Pfalz.[72] Darin hat das FG überzeugend entschieden, dass in der Erhebung einer Stufenklage zur Ermittlung des Nachlasswertes eine Geltendmachung des Pflichtteils in voller Höhe gesehen werden kann. Zutreffend ist diese Entscheidung deshalb, weil mit Erhebung der Stufenklage eindringlich zum Ausdruck gebracht wird, dass der Pflichtteilsberechtigte zur Durchsetzung seines Anspruchs entschlossen ist und nur noch den genauen Betrag erfahren möchte. Dementsprechend hat der BFH in seiner Entscheidung vom 19.7.2006[73] festgestellt, dass die Erhebung einer Stufenklage bereits als Geltendmachung im erbschaftsteuerlichen Sinne angesehen werden kann. Die Bezifferung des Anspruchs selbst ist nicht Voraussetzung für die Geltendmachung.[74] Gleichzeitig hat der BFH[75] ausdrücklich auf den Weg hingewiesen, dass die bloße Geltendmachung des Auskunftsanspruchs nach § 2314 BGB noch nicht zur Geltendmachung im erbschaftsteuerlichen Sinne führe, wenn der Pflichtteilsberechtigte sich die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs vorbehält.[76]

 

Rz. 54

 

Praxishinweis

Ist ein Pflichtteilsberechtigter noch nicht entschlossen, den Pflichtteil zu verlangen, will er sich zunächst jedoch die notwendigen Informationen zur Pflichtteilsberechnung verschaffen, so sollte er zur Vermeidung sofortiger steuerlicher Folgen ausdrücklich klarstellen, dass er noch keine Entscheidung über ein Pflichtteilsverlangen getroffen habe. Diese erbschaftsteuerlich sinnvolle Maßnahme ist jedoch im jeweiligen Einzelfall daraufhin zu überprüfen, dass über das Auskunftsbegehren der materiell-rechtliche Pflichtteilsanspruch nicht verjährt. Denn durch die bloße Geltendmachung des Auskunftsanspruchs nach § 2314 BGB wird der Eintritt der Verjährung hinsichtlich des Pflichtteilsanspruchs und des Pflichtteilsergänzungsanspruchs selbst nicht gehindert.

[70] So zutreffend Meinke, ZErb 2004, 1 ff.; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 3 Rn 212 unter treffenden Hinweis auf Lübbert, NJW 1988, 2706, 2710 (mit zivilrechtlichem Ausgangspunkt); ebenso FG Rheinland-Pfalz v. 10.12.2001 – 4 K 2203/00, ZErb 2002, 196 m. zust. Anm. Daragan = DStRE 2002, 459 f., rkr.
[71] BFH v. 19.7.2007 – II R1/05, ZEV 2006, 514; Wälzholz, ZEV 2007, 162, 164.
[72] FG Rheinland-Pfalz v. 10.12.2001 – 4 K 2203/00, ZErb 2002, 196 m. Anm. Daragan = DStRE 2002, 459 f., rkr. A.A. Meincke, ZErb 2004, 1 ff., der eine Stufenklage mangels Bezifferung nicht als Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs ansieht. Diese Ansicht hat jedoch der BFH zwischenzeitlich eindeutig abgelehnt.
[73] BFH v. 19.7.2006 – II R 1/05, ZEV 2006, 514 m. Anm. Messner; dazu auch Wälzholz, ZEV 2007, 162, 163 f.
[75] BFH v. 19.7.2006 – II R 1/05, BStBl II 2006, 718 = ZEV 2006, 514 m. Anm. Messner = BB 2006, 2287 = NJW 2006, 3455 = DB 2006, 1992; dazu auch Wälzholz, ZEV 2007, 162, 164.
[76] Ebenso schon v. Oertzen/Cornelius, ErbStB 2006, 49; Potsch, KÖSDI 2011, 17478, 17484.

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