Rz. 114
Eigengeschenke, die der Pflichtteilsberechtigte vom Erblasser erhalten hat, sind nach § 2327 BGB zu berücksichtigen und auch ohne ausdrückliche Anrechnungsbestimmung in Abzug zu bringen. Bei der Ermittlung des Ergänzungsnachlasses ist das Eigengeschenk dem Nachlass hinzuzurechnen und von dem daraus ermittelten Ergänzungsanspruch in voller Höhe abzuziehen. Zu beachten ist, dass im Rahmen des § 2327 BGB bei der Anrechnung des Eigengeschenks die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 S. 1, 2 BGB keine Rolle spielt. Im Einzelnen vollzieht sich die Berechnung wie folgt:
Rz. 115
Beispiel
Der verwitwete Erblasser E hinterlässt einen Nachlass von 20.000 EUR. Alleinerbe wird sein Freund F. Sein einziges Kind K wird enterbt. Wenige Monate vor dem Tod hatten K von E ein Geschenk in Höhe von 8.000 EUR und die Freundin C ein Geschenk in Höhe von 12.000 EUR erhalten. Wie hoch ist der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch von K?
Der ordentliche Pflichtteilsanspruch des K ist ½ von 20.000 EUR = 10.000 EUR. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch berechnet sich wie folgt:
Der Ergänzungsnachlass beträgt 40.000 EUR (realer Nachlass 20.000 EUR + 20.000 EUR fiktiver Nachlass). Hiervon ½ Ergänzungspflichtteil = 20.000 EUR abzüglich des ordentlichen Pflichtteils von 10.000 EUR ergibt einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 10.000 EUR. Auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch muss sich K jedoch gemäß § 2327 BGB das erhaltene Geschenk in Höhe von 8.000 EUR anrechnen lassen. K hat somit noch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 2.000 EUR gegen den Erben F.
Rz. 116
Des Weiteren ist zu beachten, dass das Eigengeschenk des Pflichtteilsberechtigten im Rahmen des § 2327 BGB nur auf den Ergänzungspflichtteil und nicht auch auf den ordentlichen Pflichtteil anzurechnen ist. Ist somit das Eigengeschenk größer als der dem Pflichtteilsberechtigten zustehende Ergänzungspflichtteil, so ist dieser nicht verpflichtet, etwas in den Nachlass zu zahlen oder das Eigengeschenk gar mit dem ordentlichen Pflichtteil zu verrechnen.
Rz. 117
Weiterhin gilt zu beachten, dass auch im Rahmen des § 2327 BGB nicht der "erweiterte Erblasserbegriff" gilt, d.h., dass der bereits vorverstorbene Ehegatte im Falle des Berliner Testaments nicht als Erblasser i.S.v. § 2327 BGB angesehen werden kann. Hat also der vorverstorbene Ehegatte ein Berliner Testament hinterlassen, dann sind die von ihm getätigten Geschenke nach dem Tod des längerlebenden Ehegatten bei der Pflichtteilsergänzung nicht zu berücksichtigen.