Rz. 139
Kenntnis vom Erbfall liegt vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte vom Tod des Erblassers bzw. von dessen Todeserklärung nach dem VerschG erfährt. Das gilt auch für einen Nacherben.
Rz. 140
An der erforderlichen Kenntnis von der beeinträchtigenden Verfügung fehlt es bei begründeten Zweifeln an deren Wirksamkeit. Dagegen soll die fehlerhafte Auslegung einer letztwilligen Verfügung im Hinblick auf das Maß der Beeinträchtigung einem Fristbeginn nicht entgegenstehen. Auch die (fehlende) Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von der Zusammensetzung und dem Wert des Nachlasses spielt für den Beginn der Verjährung keine Rolle.
Rz. 141
Ist der Pflichtteilsberechtigte allein durch eine Verfügung von Todes wegen beeinträchtigt, dann stellt diese Verfügung die Beeinträchtigung dar, auf die sich die Kenntnis beziehen muss. Besteht die Benachteiligung des Pflichtteilsberechtigten dagegen nur in der Tatsache, dass der Erblasser zu Lebzeiten einen Vermögensgegenstand verschenkt hat, dann handelt es sich bei der beeinträchtigenden Verfügung gerade um diese Schenkung, auf die sich die Kenntnis beziehen muss. Bei mehreren Schenkungen können je nach Zeitpunkt der Kenntniserlangung unterschiedliche Verjährungsfristen zu laufen beginnen.
Rz. 142
Schwierig sind solche Fälle, in denen der Berechtigte sowohl einen Anspruch auf den ordentlichen Pflichtteil als auch auf den Ergänzungspflichtteil hat und er zu unterschiedlichen Zeitpunkten von den Beeinträchtigungen erfährt. Es stellt sich in solch einem Fall die Frage, welcher Zeitpunkt der Kenntniserlangung für die Verjährungsfrist angenommen wird.
Erfährt der Berechtigte zunächst von einer beeinträchtigenden letztwilligen Verfügung von Todes wegen, so liegt Kenntnis für den ordentlichen Pflichtteil in dem Moment vor, in dem der Berechtigte Kenntnis von der Verfügung von Todes wegen erlangt. Erlangt er zu einem späteren Zeitpunkt auch noch Kenntnis von einer beeinträchtigenden Verfügung unter Lebenden (Schenkung), so beginnt zu diesem Zeitpunkt dann die Kenntnis für den Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Liegt der umgekehrte Fall vor, dass der Berechtigte erst von der lebzeitigen Verfügung und dann von der letztwilligen Verfügung Kenntnis erlangt, ist der Beginn der Verjährungsfrist für beide Ansprüche nicht vor Kenntniserlangung der letztwilligen Verfügung anzusetzen.
Folglich können die Verjährungsfristen von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu laufen beginnen. Der Ergänzungsanspruch nach § 2325 BGB kann jedoch nicht vor dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch verjähren.
Rz. 143
Allgemein ist zur Kenntniserlangung zu erwähnen, dass der Pflichtteilsschuldner die Beweislast dafür trägt, dass der Pflichtteilsgläubiger Kenntnis von der beeinträchtigenden Verfügung unter Lebenden oder der von Todes wegen hat. Verjährt der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch, muss der Erbe die Kenntnis von der lebzeitigen Zuwendung darlegen und beweisen. Das Gericht kann nicht unterstellen, dass der Pflichtteilsberechtigte bald nach dem Erbfall Kenntnis von der lebzeitigen Zuwendung erlangt hat. Die zugegangene Eröffnung der Verfügung von Todes wegen wird i.d.R. aber einen prima-facie-Beweis für die Kenntnis von deren Inhalt darstellen.
Rz. 144
Nach § 212 BGB führen das Anerkenntnis und die Vollstreckungsmaßnahme zu einem Neubeginn der Verjährung. Ein solches Anerkenntnis, welches zu einem Neubeginn der Verjährung führt, liegt nach BGH vor, wenn der Erbe sich bereit erklärt, Auskunft über den Nachlassbestand zu erteilen, und zu erkennen gibt, dass er sich über das Bestehen des Pflichtteilsanspruchs im Klaren ist und auch bereit ist, ihn zu befriedigen.
Rz. 145
Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch Klageerhebung gehemmt. Allerdings hemmt nur die Klage auf Zahlung die Verjährung.
Eine Klage auf Zahlung i.S.v. § 2325 BGB hemmt die Verjährung des gegen den Beschenkten auf § 2329 BGB gestützten Duldungsanspruchs aber nur, falls es sich um denselben Verpflichteten handelt.
Rz. 146
Eine Klage allein auf Erteilung einer Auskunft gemäß § 2314 BGB dagegen hemmt die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs nicht. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Auskunftsansprüche aus § 2314 BGB grundsätzlich selbstständig und unabhängig von dem Pflichtteilsanspruch verjähren. Falls ein Feststellungsinteresse besteht, hemmt eine Feststellungsklage die Verjährung. Auch eine Stufenklage gemäß § 254 ZPO hemmt die Verjährung.
Hinweis
Die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs eines Minderjährigen gegenüber seinem Elternteil als gesetzlicher Vertreter ist während der Zeit der Minderjährigkeit nach § 207 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BGB gehemmt.