Rz. 37
Ob eine Lebensversicherung in den Nachlass fällt, hängt in erster Linie davon ab, ob ein Vertrag zugunsten Dritter vorliegt und um welche Art von Lebensversicherung es sich handelt.
Rz. 38
Der Versicherungsvertrag ist dann ein Vertrag zugunsten Dritter, wenn ein Bezugsberechtigter benannt wird und der Versicherer verpflichtet wird, an den Bezugsberechtigten zu leisten. Liegt ein solcher Vertrag zugunsten Dritter vor, dann entsteht der Anspruch direkt beim Bezugsberechtigten, ohne vorher im Vermögen des Erblassers vorhanden gewesen zu sein und ohne vorher in den Nachlass zu fallen.
Rz. 39
In Rechtsprechung und Schrifttum ist man sich dahingehend einig, dass dies auch dann gilt, wenn der Versicherungsfall der Todesfall ist. Hierfür sprechen die gesetzlichen Regeln der §§ 159, 160 Abs. 2 VVG. Nach der Auslegungsregel des § 160 Abs. 2 VVG fällt die Versicherungssumme einer Kapitallebensversicherung auch dann nicht in den Nachlass, wenn der oder die Erben als Empfänger benannt sind. Hier ist im Zweifel anzunehmen, dass die Erben ihren Anteilen entsprechend bezugsberechtigt sind.
Rz. 40
Hat der Versicherungsnehmer testamentarisch Vor- und Nacherbfolge angeordnet, so ist der Vorerbe als alleiniger Erbe im Zeitpunkt des Todesfalls der alleinige Bezugsberechtigte. Die Konsequenz ist, dass die Versicherungssumme somit nicht in den Nachlass fällt und die Erben die Erbschaft ausschlagen können und die Versicherungssumme neben möglichen Pflichtteilen erhalten.
Rz. 41
Die Lebensversicherungssumme fällt also nicht in den Nachlass, wenn ein Bezugsberechtigter benannt ist, und zwar unabhängig davon, wann das Bezugsrecht eingeräumt wurde. Die Frage, ob ein Bezugsrecht von Anfang an eingeräumt wurde oder erst später durch Änderung des Versicherungsvertrags, soll nach einer Entscheidung des BGH auch im Rahmen der Anfechtung wegen Gläubigerbenachteiligung nicht mehr von entscheidender Bedeutung sein.
Rz. 42
Verstirbt der Begünstigte vor dem Erblasser selbst, dann fällt der Anspruch im Zweifel in den Nachlass, wenn kein Ersatzbegünstigter benannt wurde.
Rz. 43
Hinweis
Nach Ansicht des BGH ist aber bei einer "kreditsichernden" Lebensversicherung der Betrag, in dessen Höhe die Versicherung zur Deckung eines Darlehens an die Bank abgetreten ist, in den Bestand des Nachlasses zu rechnen. Ansonsten würden die Erblasserschulden den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf der Passivseite schmälern, obwohl die Schulden rein wirtschaftlich gesehen nicht durch den Nachlass getragen werden müssten.
Rz. 44
Die Benennung eines Bezugsberechtigten kann aber zu einem Pflichtteilsergänzungsanspruch führen. Denn anders als beim Pflichtteilsanspruch richtet sich die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach dem dem Vertrag zugunsten Dritter zugrunde liegenden Valutaverhältnis. Liegt im Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer (Erblasser) und dem Bezugsberechtigten eine Schenkung vor, so unterliegt diese der Pflichtteilsergänzung. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es dabei weder auf die Prämienzahlungen an noch auf die Versicherungsleistung, sondern auf den Wert, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung beim Erbfall nach objektiven Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können. In aller Regel ist dabei auf den Rückkaufswert abzustellen; je nach Lage des Einzelfalls kann gegebenenfalls auch ein – objektiv belegter – höherer Veräußerungswert heranzuziehen sein.