I. Allgemeines
Rz. 135
Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts am 1.1.2010 sah § 2332 BGB gegenüber der langen, grds. 30-jährigen Verjährung erbrechtlicher Ansprüche nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. eine kurze dreijährige Verjährung für den ordentlichen Pflichtteilsanspruch und den Pflichtteilsergänzungsanspruch gegenüber dem Erben vor. Diese Sonderregelung ist seit der Erbrechtsreform nicht mehr erforderlich, da die Pflichtteilsansprüche jetzt der kurzen Regelverjährung nach § 195 unterliegen. An der dreijährigen Verjährungsfrist des Pflichtteilsanspruchs hat sich somit nichts geändert. Jedoch verschiebt sich der Fristbeginn der Verjährung, da nicht mehr auf die Kenntniserlangung des Pflichtteilsberechtigten abzustellen ist, sondern gemäß § 199 Abs. 1 BGB auf den Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Pflichtteilsanspruch entstanden ist und der Pflichtteilsberechtigte von dem Erbfall sowie der beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt hat bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Die dreijährige Verjährungsfrist gilt auch für den Pflichtteilsrestanspruch gemäß §§ 2305, 2307 Abs. 1 S. 2 BGB, den Vervollständigungsanspruch gemäß § 2316 Abs. 2 BGB und den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB.
Rz. 136
Da die Feststellung der Umstände, aus denen die aus einem Erbfall resultierenden Ansprüche beruhen, oftmals Schwierigkeiten bereit, sieht § 199 Abs. 3a BGB eine absolute Höchstfrist von 30 Jahren ab Anspruchsentstehung für "Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt", vor. Die Höchstfrist gilt damit auch für Pflichtteilsansprüche.
Zum Übergangsrecht siehe Art. 229 § 21 EGBGB.
Rz. 137
Lediglich für den Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten gemäß § 2329 BGB enthält § 2332 Abs. 1 BGB noch eine Sonderregelung für den Fristbeginn. Danach beginnt die Verjährungsfrist für diesen Anspruch kenntnisunabhängig mit dem Erbfall zu laufen. Das gilt auch dann, wenn der Beschenkte zugleich Erbe oder Miterbe ist. Der Beschenkte ist insoweit besser gestellt als der Erbe; er ist ja auch gewissermaßen nur "Ersatzschuldner" des Pflichtteilsergänzungsanspruchs.
Rz. 138
Gemäß § 2332 Abs. 2 BGB wird die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs und des Anspruchs nach § 2329 BGB nicht dadurch gehemmt, dass die Ansprüche gemäß § 2306 oder § 2307 BGB – bzw. für den Ehegatten im Fall des § 1371 Abs. 3 BGB – erst nach der Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses geltend gemacht werden können.
II. Besonderheiten der Verjährung
Rz. 139
Kenntnis vom Erbfall liegt vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte vom Tod des Erblassers bzw. von dessen Todeserklärung nach dem VerschG erfährt. Das gilt auch für einen Nacherben.
Rz. 140
An der erforderlichen Kenntnis von der beeinträchtigenden Verfügung fehlt es bei begründeten Zweifeln an deren Wirksamkeit. Dagegen soll die fehlerhafte Auslegung einer letztwilligen Verfügung im Hinblick auf das Maß der Beeinträchtigung einem Fristbeginn nicht entgegenstehen. Auch die (fehlende) Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von der Zusammensetzung und dem Wert des Nachlasses spielt für den Beginn der Verjährung keine Rolle.
Rz. 141
Ist der Pflichtteilsberechtigte allein durch eine Verfügung von Todes wegen beeinträchtigt, dann stellt diese Verfügung die Beeinträchtigung dar, auf die sich die Kenntnis beziehen muss. Besteht die Benachteiligung des Pflichtteilsberechtigten dagegen nur in der Tatsache, dass der Erblasser zu Lebzeiten einen Vermögensgegenstand verschenkt hat, dann handelt es sich bei der beeinträchtigenden Verfügung gerade um diese Schenkung, auf die sich die Kenntnis beziehen muss. Bei mehreren Schenkungen können je nach Zeitpunkt der Kenntniserlangung unterschiedliche Verjährungsfristen zu laufen beginnen.
Rz. 142
Schwierig sind solche Fälle, in denen der Berechtigte sowohl einen Anspruch auf den ordentlichen Pflichtteil als auch auf den Ergänzungspflichtteil hat und er zu unterschiedlichen Zeitpunkten von den Beeinträchtigungen erfährt. Es stellt sich in solch einem Fall die Frage, welcher Zeitpunkt der Kenntniserlangung für die Verjährungsfrist angenommen wird.
Erfährt der Berechtigte zunächst von einer beeinträchtigenden letztwilligen Verfügung von Todes wegen, so liegt Kenntnis für den ordentlichen Pflichtteil in dem Moment vor, in dem der Berechtigte Kenntnis von der Verfügung von Todes wegen erlangt. Erlangt er zu einem späteren Zeitpunkt auch noch Kenntnis von einer beeinträchtigenden Verfügung unter Lebenden (Schenkung), so beginnt zu diesem Zeitpunkt dann die Kenntnis für den Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Liegt der umgekehrte Fall vor, dass der Berechtigte erst von der lebzeitigen Verfügung und dann v...