Dr. Michael Pießkalla, Gesine Reisert
Rz. 99
Auch im Bereich der Verkehrssachen sind die in Betracht kommenden Risikoausschlüsse zu beachten. Diese sind in den ARB sinnvollerweise geregelt im Anschluss an die Leistungsbeschränkungen.
Rz. 100
Nach ARB (94) sind die bisher in § 4 Abs. 1 ARB geregelten Risikoausschlüsse beseitigt. Nunmehr ist in § 5 Ziff. 3 ARB zum Leistungsumfang geregelt, dass die Versicherung nicht zu tragen hat die Kosten, die der Versicherungsnehmer ohne Rechtspflicht übernommen hat, z.B. eine zusätzliche Leistung an den Nebenkläger, Kosten für das Strafvollstreckungsverfahren jeder Art nach Rechtskraft einer Geldstrafe oder Geldbuße unter 250 EUR.
Rz. 101
Der Fortfall der Risikoausschlüsse bedeutet, dass auch sonstige Streitigkeiten, wenn sie im Zusammenhang mit der Fahrzeughaltung stehen, unter Versicherungsschutz stehen können, so z.B. Verfassungsbeschwerden.
Allerdings ist weiter zu beachten, dass der Versicherungsschutz nach den ARB 2016 dann entfallen kann, wenn
▪ |
der Fahrer bei Eintritt des Rechtsschutzfalls keine vorgeschriebene Fahrerlaubnis hat oder |
▪ |
das Fahrzeug unberechtigt vom Fahrzeugführer geführt wurde oder |
▪ |
das Fahrzeug nicht zugelassen war oder |
▪ |
ein Versicherungskennzeichen (sog. Nummernschild) fehlte. |
Der Versicherungsschutz ist dann nämlich nur für diejenigen versicherten Personen gegeben, die von diesem Verstoß nichts wussten.
Rz. 102
Wenn der Verstoß grob fahrlässig war, halten sich die Rechtsschutzversicherungen für berechtigt, ihre Leistung zu kürzen, was nach der Schwere des Verschuldens bemessen wird. (Beispiel für grob fahrlässiges Verhalten seitens der Advocard: Jemand verletzt die allgemein übliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße. Es erfolgt quasi eine Beweislastumkehr.) Sobald aber die versicherte Person nachweist, dass ihre Unkenntnis nicht grob fahrlässig war, besteht der Versicherungsschutz fort.
Rz. 103
Ebenfalls ist Versicherungsschutz zu gewähren, wenn nachgewiesen wird, dass
▪ |
der Verstoß nicht ursächlich war für den Eintritt des Rechtsschutzfalls, |
▪ |
die Feststellung des Rechtsschutzfalls oder |
▪ |
den Umfang der von der Rechtsschutzversicherung zu erbringenden Leistung. |
I. Rechtsschutz bei Vorsatztat
Rz. 104
Für den Bereich der verkehrsrechtlichen Strafvorschriften sind die Voraussetzungen des Ausschlusses des Versicherungsschutzes in § 4 Abs. 3 b S. 1 ARB geregelt. Nach dieser Vorschrift ist bei in Betracht kommenden Vorsatztaten der Versicherungsschutz – gegenüber Absatz 3a – erweitert. Nach dieser Vorschrift besteht bei einem Verstoß gegen verkehrsrechtliche Strafvorschriften nur dann kein Versicherungsschutz, wenn rechtskräftig festgestellt wird, dass der Versicherungsnehmer die Straftat vorsätzlich begangen hat. Solange eine Verurteilung wegen einer Vorsatztat nicht gegeben ist, besteht also Versicherungsschutz.
Rz. 105
Verkehrsrechtliche Vorschriften im Sinne der genannten Vorschrift sind Fahren ohne Fahrerlaubnis, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort usw. Diese Erweiterung des Versicherungsschutzes im Vergleich zu Straftaten des allgemeinen Strafrechtes bedeutet, dass auch bei Vorsatztat und Einstellung des Verfahrens die Rechtsschutzversicherung Versicherungsschutz zu gewähren hat und der Ausschluss des Versicherungsschutzes bei Vorsatztaten nicht zum Tragen kommt. Bei Einstellung eines Verfahrens z.B. wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis oder Unfallflucht ist also durch die Rechtsschutzversicherung Versicherungsschutz zu gewähren. In den Fällen, in denen eine Vorsatztat in Rede steht, ist es für den Verteidiger empfehlenswert, von der Rechtsschutzversicherung angemessene Vorschüsse zu fordern. Sollte bei Verurteilung wegen Vorsatztat der Versicherungsschutz nachträglich entfallen, kann die Rechtsschutzversicherung den gezahlten Vorschuss nicht vom Verteidiger, sondern lediglich vom VN zurückfordern, da nur diesem gegenüber ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch besteht.
Rz. 106
In versicherungsrechtlicher Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den vorgenannten Verstößen um Obliegenheitsverletzungen vor dem Versicherungsfall handelt. In diesen Fällen kann der Versicherer gemäß § 6 Abs. 1 Ziff. 3 VVG nur nach ordnungs- und fristgemäßer Kündigung Regress nehmen.
Rz. 107
In § 4 Abs. 3 b S. 1 ARB ist der Sonderfall der Rauschtat geregelt. Für Rauschtaten (§ 323a StGB) besteht generell kein Versicherungsschutz.
Rz. 108
Bei der Verteidigung im Ordnungswidrigkeitenverfahren spielt die Vorsatzfrage gemäß § 4 Abs. 3 a ARB keine Rolle.
Rz. 109
Im Übrigen ist festzustellen, dass der Versicherungsschutz für die Verteidigung in Verkehrsstrafverfahren nach § 2 j aa ARB in etwa dem Verkehrsstrafrechtsschutz der früheren Regelung des § 4 Abs. 3 b entsprach mit dem praktisch wenig bedeutsamen Unterschied, dass die Verteidigung wegen des Vorwurfs eines verkehrsrechtlichen Verbrechens nicht mehr unter Versicherungsschutz steht, und dass die Sonderregelung wegen eines im schuldausschließenden Rausch begangenen Verkehrsdeliktes (§ 323a StGB) entfallen ist.
Rz. 110
Differenzierter verha...