I. Mutwilligkeit im Straf- und OWi-Verfahren
1. Allgemeines
Rz. 128
Sollte Mutwilligkeit bei der Rechtsverfolgung dem Versicherungsnehmer zur Last gelegt werden, ist der Rechtsschutzversicherer von Leistung frei: In § 18 ARB (94) ist (entsprechend der früheren Regelung des Stichentscheides gemäß § 17 a.F.) geregelt, dass der Versicherer den Versicherungsschutz ablehnen kann aus zwei Gründen, die in der genannten Vorschrift aufgeführt sind, nämlich weil der durch die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen voraussichtlich entstehende Kostenaufwand unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Versichertengemeinschaft in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg steht oder weil in den Fällen des § 2 lit. a bis lit. g die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Rz. 129
Zu beachten ist jedoch, dass die Einschränkung gemäß § 18 Abs. 1 lit. b ARB nur gilt für die Leistungsarten des § 2 lit. a bis g, wonach die Möglichkeit gegeben war, den Versicherungsschutz wegen fehlender ausreichender Erfolgsaussichten abzulehnen. Im Strafrechtsschutz (§ 2 lit. i) sowie im Ordnungswidrigkeitenrechtsschutz (§ 2 lit. j) findet keine Prüfung der Erfolgsaussicht statt. Daran ändern auch die neuen ARB nichts.
2. Begriff der "Mutwilligkeit"
Rz. 130
Unter "mutwillig" ist zu verstehen, wenn die Wahrnehmung rechtlicher Interessen wirtschaftlich in hohem Maße unvernünftige, zum erstrebten Erfolg in keinem Verhältnis stehende rechtliche Maßnahmen zu Lasten aller Versicherten verursacht, also bei Maßnahmen, die auch eine vermögende unversicherte und wirtschaftlich denkende Partei unterlassen hätte.
Rz. 131
Die Frage der "Mutwilligkeit" der Verteidigung in einem Straf- oder Bußgeldverfahren ist streitig.
Rz. 132
Das Missverhältnis zwischen Geldbuße und Verteidigungskosten für sich allein ist nicht das allein entscheidende Kriterium für die Entscheidung der Frage der "Mutwilligkeit".
Vergleichbar ist die Situation im Kostenfestsetzungsverfahren der StPO.
Rz. 133
Nach LG Freiburg ist die Inanspruchnahme eines Anwaltes auch bei geringen Geldbußen nicht rechtsmissbräuchlich.
3. "Missverhältnis" zwischen Geldbuße und Verteidigungskosten
Rz. 134
Das "Missverhältnis" zwischen Geldbuße und Verteidigungskosten kann nicht das allein entscheidende Kriterium für die Bejahung oder Verneinung der Mutwilligkeit sein, "da es gerade die Aufgabe der Rechtsschutzversicherung ist, dem VN das Kostenrisiko bei der Abwehr rechtlicher Eingriffe aller Art abzunehmen". Maßstab für die Mutwilligkeit kann nicht sein, was ein "normaler" nicht Rechtsschutzversicherter in gleicher Lage tun würde. Zu prognostizieren ist vielmehr, was ein Versicherungsnehmer ohne Rechtsschutzversicherung in guten wirtschaftlichen Verhältnissen, der keine finanziellen Rücksichten nehmen muss, in der Lage des VN voraussichtlich getan haben würde. Darlegungs- und beweispflichtig für das Merkmal der "Mutwilligkeit" als ein Ausschlusstatbestand für die Gewährung des Versicherungsschutzes ist nach allgemeinen Grundsätzen nicht der Versicherungsnehmer, sondern die Rechtsschutzversicherung.
II. Verfahren bei Verneinung der Leistungspflicht
1. Vorgehen der Versicherung
Rz. 135
Lehnt der Versicherer den Rechtsschutz wegen groben Missverhältnisses ab, hat er dies dem Versicherungsnehmer oder dem beauftragten Rechtsanwalt als dessen Vertreter "unverzüglich" unter Angabe der Gründe schriftlich mitzuteilen. Zusätzlich muss der Versicherer neben der Begründung der Ablehnung insbesondere auch den Versicherungsnehmer über die Kostenfolge nach § 18 Abs. 5 ARB informieren.
2. Handeln des Versicherungsnehmers
Rz. 136
Gibt der Versicherungsnehmer sich mit einer Ablehnung gemäß § 18 Abs. 1 lit. a oder b ARB a.F. nicht zufrieden, braucht er jedoch den Weg des § 18 ARB nicht einzuschlagen. Er kann seinen Rechtsschutz auch unmittelbar bei Gericht einklagen.
Rz. 137
In § 19 ARB ist geregelt, dass der Versicherungsnehmer im Falle der Ablehnung des Rechtsschutzes, und wenn ein Schiedsgutachterverfahren nicht durchgeführt wird oder die ergangene Entscheidung des Schiedsgutachters nicht anerkannt wird, den Anspruch auf Rechtsschutz innerhalb von 6 Monaten gerichtlich geltend machen kann. Die Frist beginnt, nachdem die Ablehnung des Versicherers oder die Entscheidung des Schiedsgutachters dem Versicherungsnehmer schriftlich unter Angabe der mit dem Fristablauf verbundenen Rechtsfolgen mitgeteilt wurde.
Rz. 138
Umgekehrt kommt in Betracht, dass auch der Versicherungsnehmer die Durchführung des Verfahrens nach § 18 ARB verlangt. In diesem Fall hat der Versicherer gemäß § 18 Abs. 3 S. 1 ARB innerhalb eines Monats nach Zugang des Verlangens des VN das Verfahren einzuleiten, indem er den Präsidenten der für den Wohnsitz des VN zuständigen Rechtsanwaltskammer um Benennung eines Schiedsgutachters gemäß § 18 Abs. 4 S. 1 ARB bittet und hiervon den Versicherungsnehmer unterrichtet.
3. Einleitung Schiedsgutachterverfahren
Rz. 139
Leitet der ...