Dr. Michael Pießkalla, Gesine Reisert
Rz. 49
Rechtsschutz besteht grundsätzlich für die Verteidigung wegen des Vorwurfs einer verkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeit. Zu den verkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten gehören alle Vorschriften, die der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs dienen. Hieran ändert sich nichts, wenn der Versicherungsnehmer zusätzlich in Tateinheit gegen eine Vorschrift des allgemeinen Ordnungswidrigkeitenrechtes verstoßen hat.
Rz. 50
Problematisch ist, ob verkehrswirtschaftliche und -sozialpolitische Bestimmungen, wie z.B.:
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Güterkraftverkehrsgesetz, |
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Personenbeförderungsgesetz, |
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BOKraft, |
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BOStrab, |
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Pflichtversicherungsgesetz, |
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Ausländerpflichtversicherungsgesetz, |
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Fahrlehrergesetz, |
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Fahrpersonalgesetz, |
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Bundesfernstraßengesetz, |
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Kraftfahrtsachverständigengesetz, |
die hauptsächlich gewerbepolizeiliche, verkehrswirtschaftliche und sozialpolitische Aufgabenstellungen haben, verkehrsrechtliche Vorschriften i.S.d. § 2 j aa ARB sind. Dies kann nur am Einzelfall beurteilt werden. Die Zielrichtung der Vorschrift, gegen die der Versicherungsnehmer verstoßen hat oder haben soll, ist zu überprüfen. Die Vorschrift fällt dann unter den Versicherungsschutz, wenn sie zumindest auch als verkehrsrechtlich anzusehen ist, da sie auch der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs dient.
Rz. 51
So fallen z.B. Verstöße gegen das Abfallbeseitigungsgesetz nicht unter die Deckung, wenn der Versicherungsnehmer sein Schrottauto abgemeldet am Straßenrand oder auf einen öffentlichen Parkplatz abstellt. Hier ist nicht in die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs eingegriffen worden.
Rz. 52
Die Streitfrage, ob eine Vorschrift, gegen die verstoßen wurde, verkehrsrechtlich ist oder nicht, hat letztlich nur Bedeutung für den Fall, dass nur eine Versicherung nach §§ 21 oder 22 ARB abgeschlossen wurde; ansonsten ist ggf. über die anderen Leistungsarten Deckung zu erteilen.
Praxistipp
Sollte der Rechtsanwalt hier das Mandat übernehmen wollen und sich zugleich wegen des Deckungsschutzes ebenfalls ein weiteres Mandat erteilen lassen wollen, stellt sich die Frage, ob im Ablehnungsfalle dennoch das Mandat weitergeführt werden soll. Auch ist zu beachten, dass ggf. der Mandant das Mandat nur im Falle der Übernahme durch die Rechtsschutzversicherung übertragen will. Vorherige Entfaltung von Tätigkeiten kann dann unter Umständen dazu führen, dass keine Gebühren abgerechnet werden können. Es empfiehlt sich in diesem Falle mit dem Mandanten klarzustellen, dass Gebühren anfallen, sobald der Rechtsanwalt tätig wird, selbst wenn hernach keine Deckung durch die Rechtsschutzversicherung erfolgen sollte. Dies kann sich in dem Auftrags- oder Mandatsbestätigungsschreiben finden.
Rz. 53
Weitere Hinweise zu diesen Fragen ergeben sich bei Harbauer.
Rz. 54
Hat der Versicherungsnehmer eine Versicherung z.B. nach den §§ 26, 27 ARB abgeschlossen, so ist in allen diesen Fällen Deckung nach § 2 j bb ARB gegeben, aber bei nicht verkehrsrechtlichen Vorschriften ist dann die Vorsatzfrage von Bedeutung (siehe Rdn 92 ff.).
Rz. 55
Liegt eine verkehrsrechtliche Ordnungswidrigkeit vor, so besteht Rechtsschutz unabhängig von der Frage, ob eine vorsätzliche oder fahrlässige Begehungsform vorliegt oder nicht und auch unabhängig von der Frage, wie das Verfahren ausgegangen ist.
Praxistipp
Problematisch kann nach hiesiger Auffassung ein Verstoß sein, der das Telefonieren während einer Autofahrt zum Gegenstand hat. Denn schon denknotwendig ist ein "fahrlässiges Telefonieren" kaum möglich. Bei der Verteidigung ist daher die Aufklärung des Mandanten darüber wichtig, dass die Rechtsschutzversicherung ggf. diesbezüglich ihre Kostenübernahmeverpflichtung ablehnen wird.