I. Allgemeines

 

Rz. 127

Einige Besonderheiten ergeben sich, wenn Gegenstand der Testamentsvollstreckung ein Nachlass ist, zu dem auch ein wirtschaftliches Unternehmen gehört. Gerade wenn durch den Erbfall ein Unternehmen auf den Erben oder eine Erbengemeinschaft übergeht, der der Erblasser eine umsichtige Führung des Geschäfts nicht zutraut, besteht ein großes Interesse, den Fortbestand des Unternehmens durch die Einsetzung eines qualifizierten Testamentsvollstreckers oder eines Testamentsvollstreckergremiums abzusichern, § 2224 BGB.

Bei der Anordnung einer hierauf gerichteten Testamentsvollstreckung ist es von entscheidender Bedeutung, eine dem jeweiligen Einzelfall genau angepasste Klausel in die Verfügung von Todes wegen – aber auch in den Gesellschaftsvertrag – einzufügen, da nur auf diese Weise sichergestellt werden kann, dass der Testamentsvollstrecker auch mit den Befugnissen ausgestattet wird, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt.

Generell ist dabei zu beachten, dass die Testamentsvollstreckung am Einzelunternehmen an offenen Handelsgesellschaften, an Kommanditgesellschaften und an Gesellschaften mit beschränkter Haftung zum Teil sehr unterschiedlichen Grundsätzen unterliegt. Gleiches gilt für die Beteiligungen an solchen Unternehmen.

II. Einzelkaufmännisches Unternehmen

1. Allgemeines

 

Rz. 128

Wegen der Unvereinbarkeit der Haftungsgrundsätze des Handelsrechts und des Erbrechts (unbeschränkte Haftung des persönlich haftenden Kaufmannes bzw. Gesellschafters, §§ 22, 25, 27, 128, 130 HGB; beschränkte Erbenhaftung, §§ 1967, 1973 ff., 1980, 1990 BGB) wurde die Testamentsvollstreckung an einzelkaufmännischen Unternehmen und offenen Handelsgesellschaften zunächst für schlechthin unzulässig gehalten.[106] Auch heute noch ist sie nicht vollständig anerkannt.[107] Gleichwohl wird das Leitbild insbesondere für den Testamentsvollstrecker im Unternehmensbereich dabei von der Rechtsprechung und h.M wie folgt definiert:

Zitat

Der Testamentsvollstrecker soll umsichtig und solide, aber gleichwohl wie ein Geschäftsführer erfolgsorientiert sein Handeln vornehmen.[108]

Zu unterscheiden ist jedoch die Zulässigkeit der Abwicklungsvollstreckung von der Dauervollstreckung.

[106] RGZ 132, 138, 144.
[107] BGH NJW 1981, 749, 750.

2. Abwicklungstestamentsvollstreckung

 

Rz. 129

Mittlerweile hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass die auf einen relativ kurzen Zeitraum beschränkte Abwicklungsvollstreckung auf jeden Fall zulässig sein muss,[109] zumal eine Gefährdung der Gläubiger des Unternehmens durch die reine Abwicklungstätigkeit des Testamentsvollstreckers auch dann nicht zu befürchten ist, wenn dieser nur beschränkt haftet.[110]

[109] BGHZ 22, 186; BGHZ 68, 225; Flume, NJW 1988, 161, 163.
[110] Staudinger/Reimann, § 2205 Rn 91.

3. Verwaltungstestamentsvollstreckung

 

Rz. 130

Eine verwaltende, also auf Dauer angelegte Testamentsvollstreckung an einem einzelkaufmännischen Unternehmen ist aber nach der zurzeit h.M. unzulässig.[111] Gemäß Art. 2 Abs. 1 EGHGB gehen die handelsrechtlichen Vorschriften als leges speciales den Vorschriften des BGB vor. Daraus folgt, dass die Führung eines einzelkaufmännischen Unternehmens durch eine nicht persönlich haftende Person nicht denkbar ist.

 

Rz. 131

Gemäß § 2206 BGB wird bei Eingehung von Verbindlichkeiten durch den Testamentsvollstrecker lediglich der Nachlass verpflichtet.[112] Das heißt: Durch alle Geschäfte, die er im Rahmen der Verwaltung eines zum Nachlass gehörenden Geschäftsbetriebes vornehmen würde, würde nur der Nachlass, nicht aber er selbst und auch nicht die Erben persönlich verpflichtet. Da diese "Haftungslimitierung" durch die "Hintertür" mit den Grundsätzen des Handelsrechts nicht vereinbar ist, muss die bloße Anordnung von Verwaltungs- bzw. Dauertestamentsvollstreckung hinsichtlich des zum Nachlass gehörenden einzelkaufmännisch betriebenen Unternehmens leerlaufen. Der Testamentsvollstrecker kann daher ein Handelsgeschäft, welches er aufgrund seines – auf erbrechtlichem Weg – erlangten Amtes verwalten soll, nicht fortführen.[113]

Da aber in vielen Fällen ein großes praktisches Bedürfnis besteht, den Fortbestand des Unternehmens durch die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers zu sichern, muss dieses Ziel auf anderen Wegen erreicht werden. In der Praxis sind deshalb die sog. Vollmachtslösung und die Treuhandlösung entwickelt worden, wobei empfohlen wird, die Auswahl der jeweils anzuwendenden Ersatzlösung dem Testamentsvollstrecker selbst zu überlassen.[114]

[111] BGHZ 132, 138, 144; BGHZ 12, 100; Pauli in: Bengel/Reimann, § 5 Rn 113; Staudinger/Reimann, § 2205 Rn 91.
[112] BGH NJW-RR 1990, 50.
[113] BGH NJW 1989, 3154.
[114] Pauli, in: Bengel/Reimann, V Rn 138.

a) Die Vollmachtslösung

 

Rz. 132

Bei der sog. Vollmachtslösung führt der Testamentsvollstrecker das Handelsgeschäft als Bevollmächtigter des bzw. der Erben und somit unter fremdem Namen fort, wobei deren Haftung für neu entstehende Geschäftsverbindlichkeiten unbeschränkbar ist.[115] Die Haftung für Altverbindlichkeiten richtet sich nach §§ 25, 27 HGB.

Die Vollmachtslösung führt dazu, dass die aus handelsrechtlicher Sicht unabdingbare persönliche Haftung des Inhabers des Ha...

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