1. Grundsätzliches
Rz. 72
§ 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 1–3 ErbStG regelt die Anforderungen an die gesellschaftsvertraglichen Regelungen. Die dort genannten besonderen Vereinbarungen müssen kumulativ vorliegen und auch tatsächlich "gelebt" werden. Außerdem müssen diese Voraussetzungen nicht nur im Übertragungszeitpunkt erfüllt sein, sondern nach § 13a Abs. 9 S. 4 ErbStG wenigstens zwei Jahre vor dem Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 ErbStG). Für den Fall, dass der Gesellschaftsvertrag in Bezug auf die für die Gewährung des Wertabschlags erforderlichen Regelungen innerhalb von 20 Jahren nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung geändert wird und deshalb die Voraussetzungen von § 13a Abs. 9 S. 1 ErbStG nicht mehr erfüllt sind, entfällt der Wertabschlag rückwirkend (§ 13a Abs. 9 S. 5 ErbStG). Dasselbe gilt, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse ändern und deshalb die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. Wann genau der Verstoß eintritt, hat auf den Umfang Begünstigungswegfalls keinen Einfluss.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung gilt die angesprochenen Zwanzig-Jahres-Frist aber jedenfalls unabhängig davon, ob der begünstige Erwerber im Zeitpunkt des Verstoßes gegen den bzw. der Änderung des Gesellschaftsvertrages überhaupt noch Gesellschafter ist.
2. Anforderungen im Detail
a) Entnahmebeschränkungen
Rz. 73
Zunächst verlangt § 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 1 ErbStG eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung, durch die Entnahmen/Ausschüttungen auf höchstens 37,5 % des um die auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen anfallenden Steuern vom Einkommen gekürzten Betrages des steuerrechtlichen Gewinns beschränkt werden.
Rz. 74
Diejenigen Beträge, die zur Begleichung der auf die Beteiligung entfallenden Steuern vom Einkommen (durch die Gesellschafter) benötigt werden, dürfen zusätzlich entnommen/ausgeschüttet werden, sie bleiben also bei den entsprechenden Beschränkungen unberücksichtigt. Dabei wird man allerdings davon ausgehen müssen, dass die entsprechenden, zusätzlich entnehmbaren/ausschüttbaren Beträge auf der Grundlage einer individuellen Betrachtung der einzelnen Gesellschafter zu erfolgen hat. Pauschale Regelungen (beispielsweise zur Zulässigkeit von Entnahmen zu Steuerzwecken unter Zugrundelegung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer) dürften den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen. Die Finanzverwaltung lässt im Abschnitt 13a.20 Abs. 3 S. 3 ErbStR 2019 allerdings für Personengesellschaften pauschale Regelungen bis maximal 30 % des auf die Beteiligung entfallenden Gewinns zu.
b) Verfügungsbeschränkungen
Rz. 75
Als zweite Bedingung fordert § 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2 ErbStG Verfügungsbeschränkungen im Hinblick auf die Beteiligungen an der Gesellschaft. Insoweit darf der Gesellschaftsvertrag nur Verfügungen zugunsten von Mitgesellschaftern, Angehörigen i.S.v. § 15 AO und Familienstiftungen (i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) zulassen. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit ziemlich eng, als er weder Übertragungen auf Angehörige von Mitgesellschaftern noch auf Familien-Holdinggesellschaften zulässt. Andererseits umfasst der Kreis der Angehörigen i.S.v. § 15 AO auch viele Personen, die in den meisten Familiengesellschaften als potentielle Erwerber gerade nicht in Betracht kommen sollen.
Rz. 76
Ob der Begriff "Verfügung" nur die effektive Anteilsübertragung (also die Abtretung) umfasst, oder auch die Eingehung von Treuhandverhältnissen, Unterbeteiligungen oder dinglichen Nutzungsrechten (Nießbrauch), ist nicht abschließend geklärt. Auch die ErbStR 2019 enthalten hierzu keine Klarstellung. Vor diesem Hintergrund wird man im Zweifel eine weite Auslegung des Begriffs zugrunde legen müssen.