Rz. 2

Es sind alle tatsächlich erzielten Einkünfte heranzuziehen.[1]

Bestimmte Einkommenspositionen werden nicht oder nur teilweise angerechnet, weil sie dazu dienen, besonderen Aufwand auszugleichen (z.B. Auslösung, Schmutzzulage). So ist z.B. die Auslandsverwendungszulage, die ein Soldat bei einem Einsatz in Krisengebieten erhält, nur zu 50 % auf sein Einkommen anzurechnen. Entsprechendes kann für den Auslandszuschlag eines Diplomaten gelten.[2] Ein höherer Abzug kommt erst dann in Betracht, wenn auch ein höherer Mehraufwand substantiiert dargelegt werden kann.

 

Rz. 3

Bei der Behandlung sog. Einkünfte aus überobligatorischer Tätigkeit ist zweistufig vorzugehen.[3] Zuerst ist zu prüfen, ob die Tätigkeit, mit der diese Einkünfte erzielt werden, überobligatorisch ist. Danach stellt sich die Frage der Anrechenbarkeit.

Überobligatorisch ist eine Tätigkeit dann, wenn für sie keine Erwerbsobliegenheit besteht und deshalb derjenige, der sie ausübt, unterhaltsrechtlich nicht daran gehindert ist, sie jederzeit zu beenden.[4]

 

Rz. 4

Sie kann auch dann als ganz oder teilweise überobligatorisch bewertet werden, wenn die Ausübung der Erwerbstätigkeit mit an sich unzumutbaren gesundheitlichen Belastungen verbunden ist. Wer sich darauf berufen will, muss grundsätzlich Art und Umfang der behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Leiden angeben, und hat ferner darzulegen, inwieweit die behaupteten gesundheitlichen Störungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken.[5]

 

Rz. 5

Die Überobligationsmäßigkeit (Unzumutbarkeit) einer Erwerbstätigkeit führt jedoch nicht zwingend dazu, dass das daraus erzielte Einkommen für die Unterhaltsbemessung außer Betracht zu lassen ist. Vielmehr ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, in welchem Umfang das Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit für den Unterhalt anzurechnen ist.

Dabei ist beim Ehegattenunterhalt zu differenzieren:

eine ausdrückliche gesetzliche Regelung ist nur für den Berechtigten vorhanden (§ 1577 Abs. 2 S. 2 BGB),
für den Pflichtigen wird dagegen eine Billigkeitsprüfung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) vorgenommen.
 

Rz. 6

Der BGH[6] hat klargestellt, dass sich

die Frage des überobligatorischen Arbeitseinsatzes beim Berechtigten und Pflichtigen gleichermaßen stellt,
die Anrechnung des daraus erzielten Einkommens streng einzelfallbezogen erfolgen muss und
bereits den Bedarf berührt – und zwar sowohl den des Ehegatten als auch den des Kindes.[7]
 

Rz. 7

 

Praxistipp:

Wird tatsächlich erzieltes Erwerbseinkommen aus den vorgenannten Gründen – ganz oder teilweise – nicht berücksichtigt, sind auch die auf diesen Einkommensteil entfallenden Steuern und Sozialabgaben aus der Unterhaltsberechnung auszuscheiden. Hier ist detaillierter Sachvortrag erforderlich.

 

Rz. 8

Freiwillige Leistungen Dritter sind nur dann anzurechnen, wenn dies dem Willen des Dritten entspricht. Im Regelfall wird aber nicht anzunehmen sein, dass der Dritte – in der Praxis z.B. die Eltern oder Verwandte – Leistungen zuwenden, um den anderen Ehegatten damit über den Umweg des Unterhaltsrechts mittelbar zu unterstützen. Bei Leistungen aus dem Familienkreis spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass damit nur der begünstigte Angehörige entlastet werden soll.[8]

Jedoch können freiwillige Leistungen möglicherweise verdeckte Gegenleistungen z.B. für Haushaltsführung sein (siehe § 15 Rdn 19).[9]

Der Auskunftsverpflichtete hat auch über erhaltene freiwillige unentgeltliche Zuwendungen Dritter Auskunft zu erteilen, da er diese tatsächlich erhalten hat. Ob sie unterhaltsrechtlich relevant ist, ist als Rechtsfrage im Zweifel vom Gericht zu entscheiden, nicht vom Auskunftsverpflichteten.
[1] Zur unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit eines Strafgefangenen siehe BGH, Beschl. v. 1.7.2015 – XII ZB 240/14, FamRZ 2015, 1473.
[2] OLG Koblenz FamRZ 2000, 1154 und BGH FamRZ 1980, 342, 344.
[3] Zu Einkünften aus Tätigkeiten nach Erreichen der Altersgrenze siehe BGH, Urt. v. 12.1.2011 – XII ZR 83/08, NJW 2011, 670 mit Anm. Born = FamRZ 2011, 454 mit Anm. Finke.
[6] BGH, Urt. v. 12.1.2011 – XII ZR 83/08, NJW 2011, 670 mit Anm. Born = FamRZ 2011, 454 mit Anm. Finke; siehe auch BGH v. 18.4.2012 – XII ZR 73/10, NJW 2012, 2190 = FamRZ 2012, 1201 = FF 2012, 359 mit Anm. Finke.
[7] Zum überobligatorischen Einsatz des studierenden Kindes siehe OLG Hamm v. 12.3.2012 – 4 UF 232/11, FuR 2012, 670.
[8] BGH FamRZ 1990, 979, 981.
[9] Büttner, FamRZ 2002, 1445. OLG Frankfurt a.M. FamRZ 2007, 213.

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