Rz. 225
Der Anspruch auf Wertermittlung ist, anders als der Anspruch auf Auskunft, nicht auf die Übermittlung von Wissen gerichtet, sondern auf die Vorlage von Unterlagen und ggf. eines Gutachtens. Der Anspruch auf Wertermittlung ist streng von dem auf Auskunft zu trennen und sollte auch im Klageantrag nicht vermischt werden.
Auch wenn der Erbe nach dem Erbfall einen Nachlassgegenstand veräußert, besteht ein Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Wertermittlung.
Rz. 226
Im Rahmen des Wertermittlungsanspruchs hat der Pflichtteilsberechtigte zunächst einen Anspruch gegen den Erben auf Vorlage von Unterlagen und Informationen, die ihm die Wertermittlung und damit die Berechnung seines Pflichtteils(ergänzungs)anspruchs ermöglichen. Die Belegvorlage ist im Rahmen des Wertermittlungsanspruchs bei speziellen Gegenständen anerkannt. Welche Belege vorgelegt werden müssen und in welchen Umfang, ist jedoch eine Frage des Einzelfalls. Es sind die Unterlagen vorzulegen, die notwendig sind, um den Wert des Nachlassgegenstands festzustellen.
Rz. 227
Reichen dem Pflichtteilsberechtigten die Belege und sonstigen Unterlagen des Erben zur Wertermittlung nicht aus, kann er vom Erben verlangen, den Wert auf Kosten des Nachlasses (vgl. § 2314 Abs. 2 BGB) durch ein Sachverständigengutachten ermittelt zu lassen. In der Praxis erfolgt die Wertermittlung in der Regel durch Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen. Hierbei genügt es, wenn die Unparteilichkeit eines Sachverständigen gegeben ist. Für die Frage der Unparteilichkeit sind die Grundsätze zur Befangenheit eines Sachverständigen heranzuziehen. Befangen ist ein Sachverständiger dann, wenn ein Grund vorliegt, der bei vernünftiger Würdigung ein Misstrauen der Partei von ihrem Standpunkt aus rechtfertigen kann. Ein Anspruch auf ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen besteht dagegen nicht.
Rz. 228
Das Gutachten ist für die Parteien grundsätzlich unverbindlich und soll dem Pflichtteilsberechtigten die Möglichkeit bieten, den Pflichtteilsanspruch im Klageantrag möglichst genau beziffern zu können. Dennoch sollte sich der Pflichtteilsberechtigte zweckmäßigerweise die Unverbindlichkeit des Gutachtens im Antrag vorbehalten, um einer eventuellen Auslegung in einen Schiedsgutachtervertrag vorzubeugen. So hat das OLG Hamm in dem genannten Fall, in dem es um die Bewertung der Zugewinnausgleichsforderung ging, aus dem Schriftwechsel der Anwälte geschlossen, dass die Zuziehung des Sachverständigengutachtens als einverständliche Grundlage der Bewertung und Abrechnung zugrunde gelegt werden sollte. Insoweit ist hier seitens des Anwalts Vorsicht geboten.
Rz. 229
Der Auskunftsanspruch gem. § 2314 BGB analog ist auch gegenüber dem vom Erblasser Beschenkten anzuwenden. Beim Wertermittlungsanspruch ist aber darauf zu achten, dass dieser nur gegenüber dem Erben geltend gemacht werden kann, da die Kosten dem Nachlass aufzuerlegen sind.
Rz. 230
Nach Ansicht des BGH besteht seitens des Pflichtteilsberechtigten der Anspruch auf Wertermittlung nur, wenn die Zugehörigkeit des zu schätzenden Gegenstands zum Nachlass unstreitig ist oder vom Pflichtteilsberechtigten bewiesen wird. Besteht lediglich ein Verdacht, dass ein bestimmter Gegenstand innerhalb der Frist des § 2325 BGB geschenkt wurde, dann steht dem Pflichtteilsberechtigten neben dem Auskunftsanspruch nicht auch noch der Wertermittlungsanspruch zu. In der Praxis sollte berücksichtigt werden, dass der Anspruch auf Wertermittlung somit nur dann gestellt wird, wenn auch feststeht, dass der zu begutachtende Gegenstand zum Nachlass gehört.
Rz. 231
Der Pflichtteilsberechtigte hat einen Anspruch auf ein Gutachten, welches ihm ermöglicht, sich ein umfassendes Bild über den Wert des Nachlasses zu machen. Hierfür reicht es nach der Rechtsprechung des BGH nicht aus, wenn sich der Sachverständige bei der Wertermittlung lediglich für ein Bewertungsverfahren (Ertragswertverfahren) entscheidet und nur dieses zur Disposition stellt. Um den Anspruch aus § 2314 BGB erfüllen zu können, muss der Sachverständige in seinem Gutachten alle Kriterien erfüllen, die notwendigerweise an die Sachverständigentätigkeit gestellt werden, d.h., der Sachverständige hat nach wissenschaftlichen Grundsätzen zunächst alle Bewertungsverfahren heranzuziehen und sich dann – nach einem Vergleich – für eine Bewertungsmethode zu entscheiden. Er kann nicht, wie im obigen Fall geschehen, eine Einschränkung dadurch vornehmen, dass er sich von vornherein für nur eine Bewertungsmethode entscheidet.
Zwar ist nach § 2311 Abs. 1 S. 1 BGB für die Berechnung des Pflichtteils der Bestand und der Wert im Zeitpunkt des Erbfalls zugrunde zu legen. Da Schätzungen mit Unsicherheiten verbunden sind, muss sich die Bewertung von Nachlassgegenständen, die bald nach dem Erbfall veräußert werden, am tatsächlich erzielten Verkaufspreis orientieren. Bei außergewöhnlichen Umständen kann davon zwar abgese...