a) Anwendbarkeit
Rz. 125
Die Anwendbarkeit der Ausgleichungsvorschrift des § 2316 BGB ist dann gegeben, wenn mehrere Abkömmlinge vorhanden sind, die im hypothetischen Fall, wenn es zu einer gesetzlichen Erbfolge kommen würde, gesetzliche Erben geworden wären. Für die Berechnung des Pflichtteils nach den Ausgleichungsvorschriften kommt es nur auf den hypothetischen gesetzlichen Erbteil an.
b) Beteiligte des Ausgleichungspflichtteils
Rz. 126
Gemäß §§ 2050, 2316 BGB sind nur die Abkömmlinge eines Erblassers am Ausgleichungsvorgang beteiligt. Der Pflichtteil des Ehegatten berechnet sich ohne Berücksichtigung der Vorempfänge. Nicht mit berücksichtigt werden nach § 2316 Abs. 1 S. 2 BGB diejenigen Abkömmlinge, die einen Erbverzicht abgegeben oder einen vorzeitigen Erbausgleich nach § 1934d BGB geltend gemacht haben. Dies folgt aus § 2310 S. 2 BGB. Sie bleiben mit ihren Zuwendungen außen vor. Dies gilt nach Ansicht des BGH aber nicht für denjenigen, der nur auf sein Pflichtteilsrecht verzichtet hat. Derjenige Abkömmling, der durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen wurde oder der die Erbschaft ausgeschlagen hat oder für erbunwürdig erklärt wurde, wird dagegen mit seinem Vorempfang voll berücksichtigt.
c) Ausgleichungspflichtige Vorempfänge
Rz. 127
In § 2050 BGB nennt das Gesetz vier Arten von Vorempfängen, die eine Ausgleichungspflicht begründen können, wenn es sich um lebzeitige Zuwendungen des Erblassers handelt. Hierunter fallen im Einzelnen die Ausstattung, die Zuschüsse zu Einkünften, Aufwendungen für die Vorbildung zu einem Beruf und alle anderen Zuwendungen, bei denen der Erblasser ausdrücklich eine Ausgleichung angeordnet hat. Ein weiterer Ausgleichungstatbestand ist in § 2057a BGB (Ausgleichungspflicht bei besonderen Leistungen eines Abkömmlings) geregelt.
Rz. 128
Das Gesetz kennt die geborenen Zuwendungen, die bereits ohne ausdrückliche Anordnung ausgleichungspflichtig sind (§ 2050 Abs. 1 und 2 BGB), und die gekorenen Zuwendungen, die erst durch die ausdrückliche Anordnung des Erblassers ausgleichungspflichtig werden.
Die in den Absätzen 1–3 des § 2050 BGB unterschiedlich geregelten Ausgleichungstatbestände haben den Begriff der Zuwendung gemeinsam. Eine Zuwendung liegt dann vor, wenn eine Vermögensverschiebung von dem Vermögen des Erblassers zu dem eines Abkömmlings stattfindet.
Strittig ist, inwieweit Zuwendungen, die im "Wege der vorweggenommenen Erbfolge" erfolgen, ausgleichungs- oder anrechnungspflichtig sind. Erfolgt eine solche Zuwendung, ist für die Pflichtteilsberechnung im Auslegungsweg zu ermitteln, ob der Erblasser damit eine Ausgleichung gem. §§ 2316 Abs. 1, 2050 Abs. 3, eine Anrechnung gem. § 2315 Abs. 1 BGB oder kumulativ Ausgleichung und Anrechnung gem. § 2316 Ab4 BGB anordnen wollte. Ausschlaggebend für den Willen des Erblassers ist, ob er mit seiner Zuwendung zugleich auch eine Enterbung des Empfängers mit bloßer Pflichtteilsberechtigung festlegt – dann Anrechnung – oder aber nur klargestellt werden sollte, dass der Empfänger lediglich zeitlich vorgezogen bedacht wird, es im Übrigen aber bei den rechtlichen Wirkung einer Zuwendung im Erbfall verbleiben soll – dann Ausgleichung.
Rz. 129
Für die Berechnung des Pflichtteils gilt in Bezug auf die Ausgleichung die Besonderheit, dass gem. § 2316 Abs. 3 BGB der Erblasser durch abweichende Anordnung die Berücksichtigung einer Ausstattung nicht gegenüber einem Pflichtteilsberechtigten ausschließen kann. Die Ausstattung ist bei der Berechnung des Pflichtteils immer zu berücksichtigen. Eine gegenteilige Anordnung des Erblassers bleibt wirkungslos.
d) Berechnung des Pflichtteils (Ausgleichungspflichtteil)
Rz. 130
Für die Berechnung des Pflichtteils im Rahmen der Ausgleichungsvorschriften ist wie folgt vorzugehen:
In einem ersten Schritt wird der Ausgleichungsnachlass durch Abzug der nicht an der Ausgleichung beteiligten Personen ermittelt. Dies sind der Ehegatte und der nach § 2056 BGB ausscheidende Abkömmling. Der Ehegatte wird mit dem ihm "fiktiv" zustehenden gesetzlichen Erbteil abgesondert. Dann werden nach Maßgabe der §§ 2055–2057a BGB dem Nachlass die zu berücksichtigenden ausgleichungspflichtigen Zuwendungen hinzugerechnet oder, bei Anwendung des § 2057a BGB, der Wert der besonderen Mitarbeit oder Pflegetätigkeit eines Abkömmlings vom Nachlass zunächst abgezogen.
Rz. 131
Nun wird die Ausgleichungserbquote durch Teilung aller am Ausgleich beteiligten Personen ermittelt. Der Berechtigte muss sich dann den jeweiligen Vorempfang auf seinen Ausgleichungserbteil anrechnen lassen. Bei Anwendung des § 2057a BGB wird dem Ausgleichungserbteil der Wert der Mitarbeit oder Pflegeleistung wieder hinzuaddiert. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des so ermittelten Ausgleichungserbteils.
Rz. 132
Der Wert der ausgleichungspflichtigen Zuwendung richtet sich in entsprechender Anwendung des § 2055 Abs. 2 BGB nach dem Wert, den die Leistung oder die Mitarbeit im Zeitpunkt der Zuwendung hatte. Hierbei sind Wertveränderungen infolge des Kaufkraftschwunds auszugleichen. Maßgeblicher Zeitpun...