Rz. 110
Zu den Erblasserschulden zählen alle Verbindlichkeiten, die der Erblasser vor seinem Tod eingegangen ist. Dies sind zunächst alle Schulden des Erblassers, wie bspw. unbezahlte Rechnungen, Darlehen, Bankschulden oder Beitragsrückstände. Hierbei ist darauf zu achten, in welcher Höhe die Schulden den Erblasser selbst treffen und inwieweit er die Schulden auf andere abwälzen kann oder ihm gar ein Erstattungsanspruch zusteht. Ist bspw. noch eine offene Arztrechnung vorhanden, so stellt dies eine Nachlassverbindlichkeit dar, wobei aber ggf. ein vorhandener Anspruch gegenüber einer Krankenversicherung in Abzug zu bringen ist. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass bei gemeinsamen Schulden von Ehegatten (z.B. gemeinsam aufgenommener Kredit), für die sie gesamtschuldnerisch haften, nur die Hälfte, also der im Innenverhältnis auf den Erblasser fallende Teil, in Abzug zu bringen ist.
Rz. 111
Zu den Erblasserschulden zählen insbesondere auch alle noch offenen Steuerschulden, soweit sie in der Person des Erblassers entstanden sind. Dies gilt unabhängig davon, ob die Steuer bereits veranlagt wurde.
Rz. 112
Fraglich ist, ob rückständige Einkommensteuerschulden auch dann voll in Abzug zu bringen sind, wenn die Ehegatten gemeinsam veranlagt wurden, aber nur der Erblasser gearbeitet hat. Der BGH hat für den Fall der gemeinsamen Veranlagung entschieden, dass dies nicht zur Folge hat, dass beide Ehegatten gem. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB zu gleichen Teilen die Steuern tragen müssen. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der güterrechtlichen Beziehung der Ehegatten zueinander. Denn ebenso getrennt wie das Vermögen im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft sind auch die Schulden zu behandeln. Deshalb hat jeder Ehegatte für die auf seine Einkünfte fallenden Steuern selbst aufzukommen. Hat also wie im genannten Fall lediglich der Erblasser Einkünfte gehabt, sind die Ehegatten aber gemeinsam veranlagt worden, dann sind die noch offenen Steuerschulden insgesamt als Passiva in Abzug zu bringen. Der Pflichtteilsberechtigte muss sich diese voll entgegenhalten lassen.
Rz. 113
Nicht als Nachlassverbindlichkeit anzusetzen ist jedoch die Erbschaftsteuerschuld. Gleiches gilt nach Ansicht des BGH für die bei Aufgabe eines Gewerbebetriebes nach § 16 EStG anfallende Ertragsteuer. Die für den Veräußerungsgewinn anfallende Ertragsteuer kann jedoch bei der Bewertung des Unternehmens zu berücksichtigen sein. Auch die Rückforderungsansprüche des Sozialhilfeträgers nach § 102 SGB XII sind abzugsfähige Erblasserschulden. Ebenso zählen Verbindlichkeiten, die aus unerlaubter Handlung entstanden sind, zum Passivbestand des Nachlasses. Kreditsicherheiten, wie Hypotheken, Sicherungsgrundschulden oder Bürgschaften, sind in Anwendung von § 2313 Abs. 2 BGB bei der Berechnung des Nachlasswertes so lange außer Betracht zu lassen, wie offen ist, ob und in welcher Höhe der Sicherungsgeber überhaupt in Anspruch genommen wird. Sie sind daher zunächst nicht in die Passiva einzustellen. Etwas anderes gilt, wenn eine Inanspruchnahme wahrscheinlich erscheint, wobei dann aber auch der Freistellungsanspruch des Sicherungsgebers unter Berücksichtigung seiner Realisierbarkeit der möglichen Haftung gegenübergestellt werden muss.
Rz. 114
Problematisch ist, inwieweit eine bestehende Unterhaltsverpflichtung des Erblassers eine Nachlassverbindlichkeit darstellt. Vom Aktivnachlass in Abzug zu bringen sind diejenigen Unterhaltsansprüche gegen den Erblasser, die durch den Tod nicht erloschen sind. Hierunter fallen bspw. der Unterhaltsanspruch des geschiedenen und des ihm gleichgestellten Ehegatten nach § 1586b BGB sowie die nachpartnerschaftliche Unterhaltspflich nach § 16 S. 2 LPartG, allerdings begrenzt auf den fiktiven Pflichtteil des Ehegatten/Lebenspartners, die Ansprüche der Mutter und des Vaters nach § 1615l BGB und auch der Unterhaltsanspruch einer werdenden Mutter nach § 1963 BGB. Nach Ansicht des BGH ist auch der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes als Nachlassverbindlichkeit (vgl. § 1615a BGB) bei der Berechnung des Pflichtteils abzuziehen. Der BGH hat dies zumindest für den Fall entschieden, in dem der Erblasser seine nichtehelichen Kinder als Alleinerben eingesetzt hatte.