Rz. 130

Für die Berechnung des Pflichtteils im Rahmen der Ausgleichungsvorschriften ist wie folgt vorzugehen:

In einem ersten Schritt wird der Ausgleichungsnachlass durch Abzug der nicht an der Ausgleichung beteiligten Personen ermittelt. Dies sind der Ehegatte und der nach § 2056 BGB ausscheidende Abkömmling. Der Ehegatte wird mit dem ihm "fiktiv" zustehenden gesetzlichen Erbteil abgesondert. Dann werden nach Maßgabe der §§ 20552057a BGB dem Nachlass die zu berücksichtigenden ausgleichungspflichtigen Zuwendungen hinzugerechnet oder, bei Anwendung des § 2057a BGB, der Wert der besonderen Mitarbeit oder Pflegetätigkeit eines Abkömmlings vom Nachlass zunächst abgezogen.

 

Rz. 131

Nun wird die Ausgleichungserbquote durch Teilung aller am Ausgleich beteiligten Personen ermittelt. Der Berechtigte muss sich dann den jeweiligen Vorempfang auf seinen Ausgleichungserbteil anrechnen lassen. Bei Anwendung des § 2057a BGB wird dem Ausgleichungserbteil der Wert der Mitarbeit oder Pflegeleistung wieder hinzuaddiert. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des so ermittelten Ausgleichungserbteils.

 

Rz. 132

Der Wert der ausgleichungspflichtigen Zuwendung richtet sich in entsprechender Anwendung des § 2055 Abs. 2 BGB nach dem Wert, den die Leistung oder die Mitarbeit im Zeitpunkt der Zuwendung hatte. Hierbei sind Wertveränderungen infolge des Kaufkraftschwunds auszugleichen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Indexierung ist der Eintritt des Erbfalls.[110] Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass hierbei der Leistungszeitpunkt maßgebend ist und nicht der Zeitpunkt der Begründung der Leistungspflicht.

 

Rz. 133

 

Fall

Erblasser E verstirbt 2022 und hinterlässt seine Ehefrau F und seine drei Kinder K1, K2 und K3 sowie einen Nachlass von 500.000 EUR. Die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. K1 erhielt 2005 einen ausgleichungspflichtigen Vorempfang von 120.000 EUR, K2 erhielt 2005 ebenfalls einen ausgleichungspflichtigen Vorempfang von 100.000 EUR, K3 erhielt bisher keine Zuwendung. E hat seine Ehefrau F testamentarisch zur Alleinerbin eingesetzt. Wie hoch sind die einzelnen Pflichtteilsansprüche von K1, K2 und K3 gegenüber der Ehefrau F?

Lösung

Es ist zunächst der Ausgleichungsnachlass zu bilden. Zum Kreis der ausgleichungsberechtigten Personen zählt nicht die Ehefrau F. Sie ist vorab mit ihrem Erbteil in Höhe von ½ = 250.000 EUR abzuziehen.

 
Realer Nachlass 500.000 EUR
abzgl. Anspruch der Ehefrau 250.000 EUR
als Ausgleichungsnachlass 250.000 EUR

In einem weiteren Schritt ist nun der fiktive Ausgleichungsnachlass durch Hinzurechnung aller ausgleichungspflichtigen Vorempfänge zu bilden. Die jeweilige Zuwendung ist inflationsmäßig zu bereinigen.

 
120.000 EUR x 110,2[111] : 81,5 162.257,67 EUR
100.000 EUR x 110,2 : 81,5 135.214,72 EUR
Dies ergibt einen fiktiven Nachlass von 547.472,39 EUR

Der Ausgleichungserbteil von K1 bis K3 beträgt daher jeweils ⅓ aus 547.472,39 EUR = 182.490,80 EUR. Von dem Ausgleichungserbteil ist der jeweilige Vorempfang in Abzug zu bringen.

Demnach beträgt der Erbteil von K1 182.490,80 EUR abzüglich hochgerechneter Zuwendung 162.257,67 EUR, verbleiben für K1 20.233,13 EUR; für K2 182.490,80 EUR abzüglich hochgerechneter Zuwendung 135.214,72 EUR, verbleiben für K2 47.276,08 EUR und für K3 182.490,80 EUR.

Gemäß § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB beträgt der Pflichtteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Damit betragen die Pflichtteilsansprüche

 
für K1 10.116,57 EUR
für K2 23.638,04 EUR
für K3 91.245,40 EUR
[110] Grüneberg/Weidlich, § 2055 BGB Rn 3.
[111] Aktuelle Preisindices Statistisches Bundesamt, www.destatis.de.

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