I. Allgemeines zur Vorgehensweise
Rz. 244
Bei der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs im Prozess kann der Berechtigte auf verschiedene Weise vorgehen. Je nachdem, ob der Berechtigte schon Kenntnis über den Nachlass hat (dann kann er sogleich Zahlungsklage erheben) oder ob er erst noch Auskunft benötigt (dann hat er die Möglichkeit, Stufenklage zu erheben), ist die richtige Vorgehensweise von unterschiedlichen Faktoren abhängig.
Rz. 245
Der Berechtigte kann einzeln vorgehen, indem er zunächst Auskunftsklage erhebt und danach eine Zahlungsklage anhängig macht. Nachteilig ist, dass ihm bei diesem Vorgehen in der Summe höhere Prozesskosten entstehen. Die Gebühren für die einzelnen Prozesse entstehen aus zwei getrennten Streitwerten, während bei der kumulativen Klagehäufung (Stufenklage) die Kosten aus einem Gesamtstreitwert ermittelt werden.
Hinweis
Die isolierte gerichtliche Geltendmachung des Auskunftsanspruchs hemmt weder die Verjährung des Wertermittlungs- noch des Zahlungsanspruchs.
Rz. 246
Will der Berechtigte, der zunächst Auskunft begehrt hat, den Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erweitern, weil es für deren Notwendigkeit berechtigte Anzeichen gibt, so ist dies nach h.M. eine zulässige Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO. Gleiches gilt auch für den Fall, dass zunächst Auskunftsantrag und Antrag auf eidesstattliche Versicherung gestellt wurde und der Berechtigte erst im Prozess einen Leistungsantrag mit einbezieht.
II. Zuständigkeit
Rz. 247
Zuständig ist grundsätzlich das Gericht am allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten (§ 12 ZPO). Zudem besteht die Möglichkeit, am besonderen Gerichtsstand der Erbschaft (§ 27 ZPO) Klage zu erheben. Die Erhebung der Klage am besonderen Gerichtsstand der Erbschaft bietet sich insbesondere in solchen Fällen an, in denen es mehrere Beklagte (Miterben) gibt. Zuständig gem. § 27 Abs. 1 ZPO ist das Gericht, an dem der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes seinen allgemeinen Gerichtsstand hatte. In der Regel ist dies gem. § 13 ZPO der letzte Wohnsitz. Der Gerichtsstand des § 27 ZPO gilt sowohl für die Klage auf Feststellung des Erbrechts als auch für die Klagen auf Auskunft und Zahlung des Pflichtteilsanspruchs. Hierunter fällt auch der Ergänzungsanspruch nach § 2329 BGB gegen den Beschenkten. Da § 27 ZPO jedoch keinen ausschließlichen Gerichtsstand begründet, können die Parteien den Prozess einverständlich auch an einem anderen Ort führen. Hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland, wird er jedoch nach deutschem Recht beerbt, ist das Gericht des letzten inländischen Wohnsitzes zuständig (§ 27 Abs. 2 ZPO).
Rz. 248
Macht ein pflichtteilsberechtigter Ehegatte neben seinem Pflichtteilsanspruch auch einen Zugewinnausgleichsanspruch geltend, gilt für die gerichtliche Zuständigkeit: Der Pflichtteilsanspruch ist vor dem Zivilgericht geltend zu machen, der Zugewinnausgleichanspruch beim Familiengericht.
III. Klagearten
1. Klage auf Auskunft und Wertermittlung
a) Allgemeines
Rz. 249
Ist die Gefahr einer Verjährung nicht gegeben, kann der Berechtigte auch zunächst nur Auskunfts- und Wertermittlungsklage erheben. Muss nach Abschluss derselben Zahlungsklage erhoben werden, entstehen lediglich die eingangs bereits erwähnten höheren Prozesskosten. Ein Auskunftsanspruch kann grundsätzlich nicht durch einstweilige Verfügung erzwungen werden.
Rz. 250
Schwierigkeiten bestehen in der Praxis aber oftmals bei der Antragstellung. Der Antrag auf Auskunft ist möglichst konkret zu fassen, damit er später ggf. vollstreckt werden kann. Nach BGH hat ein Nachlassverzeichnis grundsätzlich über die folgenden Punkte Auskunft zu geben, die sinnvollerweise auch der Antrag enthalten sollte:
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die beim Erbfall tatsächlich vorhandenen Gegenständen und Forderungen (Aktiva); |
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alle Nachlassverbindlichkeiten (Passiva); |
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alle Schenkungen, auch Pflicht- und Anstandsschenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat und die in den fiktiven Nachlass fallen könnten; bezüglich ehebezogener Zuwendungen sowie Zuwendungen, die unter Nießbrauchs- und Wohnrechtsvorbehalt erfolgten, auch über einen Zehnjahreszeitraum hinaus; |
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alle ungeklärten Zuwendungen und Veräußerungen, deren Umstände es nahelegen, es handele sich wenigstens zum Teil um eine Schenkung, auch über einen Zehnjahreszeitraum hinaus; |
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alle an Abkömmlinge erfolgten Zuwendungen, die nach §§ 2050 ff. BGB ausgleichspflichtig sind; |
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den Güterstand, in dem der verheiratete Erblasser gelebt hat; |
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ob der Erblasser mit Pflichtteilsberechtigten einen notariellen Erbverzicht vereinbart hat; |
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Vorlage der entsprechenden Verträge und Belege. |
Rz. 251
Unabhängig von einem konkret gefassten Antrag geht die Rechtsprechung beim Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB zu Recht davon aus, dass es einer genauen Umschreibung der einzelnen Handlungen zur Erfüllung der Auskunftspflicht aus prozessökonomischen Gründen nicht unbedingt bedürfe. Ausreichend ist es auch, lediglich auf Auskunft zu klagen und im anschli...