1. Rechtliche Grundlagen für Erbfälle vor dem 1.1.2010
Rz. 274
Nach der Stundungsvorschrift des § 2331a BGB a.F. bestand die Möglichkeit, den Pflichtteil zu stunden, wenn die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs den Erben "ungewöhnlich hart treffen" würde. Die Voraussetzungen der Stundung waren im Weiteren, dass die Pflichtteilslast den Verpflichteten zur Aufgabe seiner Familienwohnung oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet, zwingt. Stundung konnte aber nur derjenige Erbe verlangen, der selbst pflichtteilsberechtigt ist.
2. Rechtliche Grundlagen für Erbfälle nach dem 1.1.2010
Rz. 275
Nach § 2331a BGB kann der Erbe auch dann, wenn er selbst nicht pflichtteilsberechtigt ist, Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des Anspruchs für ihn wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre, insbesondere wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde, das für ihn und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Dabei sind jedoch auch die Interessen des Pflichtteilsberechtigten angemessen zu berücksichtigen. Ist ausgeschlossen, dass der Erbe durch die Stundung in die Lage versetzt wird, den Pflichtteilsanspruch anderweitig zu erfüllen, kommt eine Stundung nicht in Betracht.
Statt der früheren Regelung, dass die Erfüllung des Pflichtteils den Erben "ungewöhnlich hart treffen" muss, ist zwar nunmehr eine "unbillige Härte" ausreichend. Die Anforderungen an eine Stundung sind jedoch nach wie vor hoch.
3. Stundung
Rz. 276
Sind mehrere selbstständig pflichtteilsberechtigte Erben vorhanden, so ist bei der Entscheidung über die Stundung des Pflichtteilsanspruchs zu beachten, dass bis zur Teilung des Nachlasses bei beschränkter Erbenhaftung keiner der Erben den Pflichtteilsanspruch aus dem Privatvermögen erfüllen muss und sich die Vollstreckung nur gegen den ungeteilten Nachlass richten kann (§ 2059 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB). Ist von den Miterben nur einer selbst pflichtteilsberechtigt, so kann das Interesse des Pflichtteilsberechtigten die Stundung gebieten, obwohl die übrigen Miterben durch die sofortige Erfüllung nicht übermäßig hart getroffen werden. Über die Stundung entscheidet das Nachlassgericht gem. § 2331a Abs. 2 S. 1 BGB, wenn der Pflichtteilsanspruch dem Grund und der Höhe nach unstreitig ist. Die Regelungen über die Stundung des Zugewinnausgleichsanspruchs gelten entsprechend, § 2331a Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 1382 Abs. 2–6 BGB. Ist der Pflichtteilsanspruch dem Grund oder der Höhe nach umstritten oder ist über ihn ein Rechtsstreit anhängig, entscheidet gem. § 2331a Abs. 2 i.V.m. § 1382 Abs. 5 BGB allein das Prozessgericht.
4. Muster: Stundung des Pflichtteils nach § 2331a BGB
Rz. 277
Muster 17.25: Stundung des Pflichtteils nach § 2331a BGB
Muster 17.25: Stundung des Pflichtteils nach § 2331a BGB
An das
Amtsgericht
– Nachlassgericht –
_________________________
Antragsteller: _________________________ (Erbe)
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt _________________________
Antragsgegner: _________________________ (Pflichtteilsberechtigter)
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt _________________________
wegen: Stundung des Pflichtteilsanspruchs
Namens und in Vollmacht des Antragstellers beantrage ich die Stundung des Pflichtteilsanspruchs des Antragsgegners.
Der Antragsteller ist aufgrund Verfügung von Todes wegen der alleinige Erbe des am _________________________ in _________________________ verstorbenen Erblassers _________________________. Der Antragsgegner ist ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling des Erblassers. Der Pflichtteilsanspruch wird anerkannt. Die sofortige Erfüllung des Anspruchs würde jedoch für den Antragsteller eine unbillige Härte bedeuten. Der Nachlass besteht lediglich aus einem kleinen Hausgrundstück, welches der Antragsteller bereits bewohnt. Es stellt auch den einzigen Vermögenswert dar. Der Antragsteller bezieht als Arbeiter ein geringes Einkommen, welches er für den Lebensunterhalt für sich und seine Familie benötigt. Der Antragsteller hat jedoch noch einen Bausparvertrag laufen, der in ca. elf Monaten fällig wird. Aus diesem Grund beantragt er die Stundung des Pflichtteils nach § 2331a BGB bis zur Auszahlung des Bausparvertrags am _________________________. Von der Festlegung einer Sicherheit bittet der Antragsteller Abstand zu nehmen und bietet eine Verzinsung des Pflichtteils in Höhe von _________________________ % jährlich an (§§ 2331a Abs. 2, 1382 BGB).
(Rechtsanwalt)