Rz. 208
Neben dem eigentlichen Gesellschaftsanteil können auch Aktienderivate, z.B. stock options oder Anlagezertifikate, Bestandteil eines Nachlasses sein.
Grundsätzlich verbrieft ein Aktienderivat ein Recht bezüglich eines (Aktien-)Basiswertes. Dieses Recht gehört gem. § 1922 BGB im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge unproblematisch zum Nachlass.
Rz. 209
Insbesondere im Hinblick auf so genannte stock options als Anreizinstrumentarien für Mitarbeiter kann jedoch das Vorliegen eines Rechtes bereits fraglich sein.
Stock options gem. § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG werden im Rahmen von Aktienoptionsplänen durch Unternehmen an ihre Mitarbeiter ausgegeben und ermöglichen diesen, zu festgelegten Konditionen Aktien des Unternehmens zu erwerben. Es handelt sich rechtlich regelmäßig um Wandelanleihen, für die das Bezugsrecht durch die bisherigen Aktionäre ausgeschlossen wird. Gleichzeitig führt die Aktiengesellschaft eine bedingte Kapitalerhöhung durch, um die durch die Wandelanleihen auszugebenden Aktien zur Verfügung zu haben.
In den meisten Fällen sieht der Aktienoptionsplan vor, dass nach einer Wartezeit und soweit die Voraussetzungen des Aktienoptionsplans vorliegen, der Mitarbeiter berechtigt ist, seinen Anspruch auf den Erwerb der Aktien des Arbeitgebers geltend zu machen (Bezugsrecht). Er erwirbt dann diese Aktien und kann sie nach Ablauf einer Haltefrist frei veräußern.
Innerhalb der Wartezeit steht noch nicht fest, ob der Mitarbeiter tatsächlich ein Bezugsrecht hat, denn die im Aktienoptionsplan zur Ausübung des Bezugsrechts geregelten Bedingungen, z.B. Erreichung eines bestimmten Gewinns pro Aktie, müssen nicht eintreten. Der Mitarbeiter hat bis zum Eintritt dieser Bedingungen daher lediglich ein Anwartschaftsrecht.
Rz. 210
Übt er nach Eintritt der Bedingungen seine Option (Gestaltungsrecht) aus, wird der Zeichnungsvertrag mit der Aktiengesellschaft abgeschlossen und der Mitarbeiter erwirbt gegen Zahlung des im Aktienoptionsplan festgelegten Basispreises die ihm zustehende Anzahl von Aktien. Für den Erbfall ist daher jedenfalls zwischen zwei Zeitpunkten zu differenzieren:
a) Bedingungen zum Erwerb der Aktien sind noch nicht eingetreten
Rz. 211
Sind die Bedingungen zum Erwerb der Aktien nach dem Aktienoptionsplan noch nicht eingetreten oder die Wartezeit zur Ausübung der Option noch nicht abgelaufen, bestand beim Erblasser lediglich ein Anwartschaftsrecht.
Zwar kann grundsätzlich auch ein Anwartschaftsrecht vererbt werden, jedoch führt nach Auffassung von Kolmann die gesetzliche Wertung des § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG dazu, dass die Option vor Eintritt der Bedingung als nicht vererblich anzusehen ist. Hiernach sind für die Schaffung des bedingten Kapitals, das später durch Aktienoptionsplane ausgegeben wird, im Beschluss der Hauptversammlung die Bedingungen für die Ausgabe, Verteilung auf Geschäftsführung und Arbeitnehmer des Unternehmens sowie die Wartezeit für die erstmalige Ausübung anzugeben.
Die Angaben im Beschluss spiegeln die engen Formalien wieder, unter denen überhaupt bedingtes Kapital unter Beseitigung der Bezugsrechte der Altaktionäre vom Gesetzgeber zugelassen wurde. Kolmann ist deshalb der Auffassung, dass die Schaffung bedingten Kapitals derart eng mit der Person des Mitarbeiters (und nicht eines Dritten) und den vom ihm geleisteten Diensten verbunden ist, dass er die Anwartschaft als nicht vererblich ansieht, solange die Bedingungen zum Bezug der Option, z.B. Ablauf der Wartefrist, nicht erfüllt sind.
Hierzu ist jedoch nicht einmal auf die aktienrechtlichen Vorschriften abzustellen. Bereits aus dem Anwartschaftsrecht selbst ergibt sich bereits die mangelnde Vererblichkeit. Die nach § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG notwendige Wartezeit ist wegen der Bindung an die Arbeitnehmereigenschaft des Beziehers vom Anwartschaftsberechtigten zwingend als Arbeitnehmer zu beenden. Durch den Tod des Mitarbeiters treten seine Erben zwar in das Anwartschaftsrecht ein, sie können die höchstpersönlichen Dienste des Erblassers bis zum Ende der Wartezeit aber nicht erbringen, so dass das Anwartschaftsrecht nicht zum Vollrecht erstarken kann und ein Zugriff der Erben auf die Aktien damit ausscheidet.
b) Bedingungen zum Erwerb der Aktien sind eingetreten
Rz. 212
Sind bereits in der Person des Erblassers alle Bedingungen zum Erwerb des Vollrechts eingetreten, müssen die Erben nur noch das Gestaltungsrecht ausüben. Dann überwiegt das Vergütungselement im Aktienoptionsplan und die stock options fallen in den Nachlass.
Im Hinblick auf die Erbengemeinschaft kann in dieser Situation die Ausübung des Gestaltungsrechts problematisch sein.
Sind sich nicht alle Miterben über die Ausübung des Gestaltungsrechts einig, sind die bereits erörterten Fragen (vgl. oben Rdn 166) zur Entscheidungsfindung innerhalb der Erbengemeinschaft zu klären.
Kolmann führt hierzu aus, dass die Ausübung des Gestaltungsrechts eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung darstellt und das Gestaltungsrech...