Rz. 107
Die Geschäftsführer sind nach § 35 Abs. 1 GmbHG das Handlungs- und Vertretungsorgan, das die GmbH im Rechtsverkehr nach außen vertritt. Ihre im GmbHG nicht definierte weitere Pflichtaufgabe ist die Geschäftsführung: Sie umfasst alle zur Verfolgung des Zwecks der GmbH erforderlichen Maßnahmen und Entscheidungen inkl. Unternehmensleitung (Organisation), soweit diese nicht den Gesellschaftern vorbehaltene Grundlagengeschäfte (körperschaftsrechtliche Maßnahmen) sind; im Grundsatz sind Geschäftsführer zwar autonom für alle Fragen der Geschäftsführung zuständig; die Gesellschafter können jedoch einzelne Angelegenheiten an sich ziehen (vgl. Rdn 35). Für die aktive Vertretung gilt im gesetzlichen Regelfall Gesamtvertretung gem. § 35 Abs. 2 S. 1 GmbHG. Die Satzung muss Abweichungen vorsehen, braucht sie aber nicht selbst zu regeln, es genügt eine Ermächtigung durch die Satzung zur Regelung durch Gesellschafterbeschluss (oder ggf. Beirat oder Aufsichtsrat). Bestehen solche Abweichungen nicht, steht die Geschäftsführungsbefugnis grundsätzlich mehreren Geschäftsführern nur gemeinschaftlich zu (Gesamtgeschäftsführung). Sie müssen Geschäftsführungsbeschlüsse nach ganz h.M. analog § 77 Abs. 1 AktG einstimmig fassen. Der Gesellschaftsvertrag kann Abweichendes regeln, etwa Einzelgeschäftsführungsbefugnis, Mehrheitsentscheidungen oder Ressortverteilung (vgl. Rdn 125). Für die Passivvertretung reicht der Zugang von Willenserklärungen bei einem Geschäftsführer (vgl. § 35 Abs. 2 S. 3 GmbHG a.F.).
Rz. 108
§ 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG enthält Sonderregelungen für Fälle, in denen die GmbH keinen Geschäftsführer hat. Eine solche sog. Führungslosigkeit besteht nur, wenn die GmbH aus Rechtsgründen ohne organschaftlichen Vertreter ist. Wesentliche Gründe hierfür sind Tod, Verlust der Geschäftsfähigkeit, Befristung oder Eintritt einer auflösenden Bedingung der Bestellung, eines Amtsunfähigkeitsgrundes nach § 6 Abs. 2 GmbHG, Abberufung oder Amtsniederlegung des letzten Geschäftsführers. Keine Führungslosigkeit begründen z.B. unbekannter Aufenthalt oder zeitweise Unerreichbarkeit des Geschäftsführers oder unterlassene Handelsregistereintragung. Bei Führungslosigkeit wird die GmbH gem. § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG für den Fall, dass ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben oder Schriftstücke zugestellt werden, "durch die Gesellschafter vertreten". Das betrifft nur die Passivvertretung. Für die Wirkung der Zustellung soll es auf die Kenntnis der Gesellschafter von der Führungslosigkeit nicht ankommen. § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG beschränkt die Passivvertretung beispielsweise im Falle der Zustellung einer Klage nur auf diese. Ein (Versäumnis-)Urteil gegen eine führungslose GmbH scheidet wegen Prozessunfähigkeit aus, diese muss zunächst mit den Mitteln des Prozess- oder Gesellschaftsrechts durch Bestellung eines Prozesspflegers oder Notgeschäftsführers beseitigt werden, bevor ein Urteil ergehen kann; die Gesellschafter der führungslosen GmbH sind nicht zur Prozessvertretung der GmbH berechtigt. Wer als Gesellschafter zu betrachten ist, folgt alleine aus der Gesellschafterliste (vgl. Rdn 172 ff.). Zur Aktivvertretung der führungslosen GmbH sind Gesellschafter nicht berechtigt, ggf. ist die Bestellung eines Notgeschäftsführers möglich (vgl. Rdn 104); lediglich zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen Gesellschafter oder Geschäftsführer aus dem Gesellschaftsverhältnis kann eine Gesellschafterklage durch einzelne Gesellschafter in Betracht kommen. Weitere Folgen der Führungslosigkeit regeln §§ 10, 15 und 15a InsO und sehen die Anhörung der Gesellschafter sowie eine subsidiäre Insolvenzantragsbefugnis und -verpflichtung der Gesellschafter bei Führungslosigkeit vor (vgl. Rdn 112, 341). Auch dauerhafte Führungslosigkeit ist kein Auflösungsgrund (vgl. Rdn 346).
Rz. 109
Problematisch kann die Vertretung der Gesellschaft bei Klagen eines Alleingeschäftsführers oder gegen einen Alleingeschäftsführer sein (vgl. allg. Rdn 120).
Rz. 110
Die gem. § 37 Abs. 2 S. 1 GmbHG grundsätzlich unbeschränkte Vertretungsmacht nach außen können die Gesellschafter nicht entziehen. Wichtig sind Ausnahmen: Standardbeispiele sind kollusives Handeln und Missbrauch der Vertretungsmacht. Nach dem BGH fehlt die Vertretungsmacht schon bei einer durch Gesellschafterbeschluss begründeten Beschränkung der Vertretungsmacht, die für den Vertragspartner erkennbar ist, sowie wenn dieser weiß oder es sich ihm aufdrängen muss, dass der Geschäftsführer den im Innenverhältnis erforderlichen Beschluss nicht herbeigeführt hat, ohne dass es darauf ankommt, ob der Geschäftsführer bewusst zum Nachteil der GmbH handelt. Für die Verpflichtung zur Übertragung des gesamten GmbH-Vermögens bedarf der Geschäftsführer der Zustimmung der Gesellschafterversammlung; missachtet er den Vorbehalt, kann nach dem BGH der Vertragspartner aus dem Geschäft keine Rechte herleiten, wenn er den Missbrauch der Vertretungsmacht des Geschäftsführers kennt oder dieser sich i...