Rz. 37
Freie Verfügung bedeutet, dass Geschäftsführer geleistete Geldeinlagen tatsächlich und rechtlich uneingeschränkt für die GmbH verwenden können müssen. Dieser sog. Unversehrtheits-Grundsatz ist eine der tragenden Säulen des Gründungsrechts: Die GmbH muss im Zeitpunkt der Eintragung über ihr Stammkapital tatsächlich verfügen. Fehlt die freie Verfügung, hat der Gesellschafter die Einlageschuld nicht wirksam erfüllt. Ihr stehen grundsätzlich Absprachen zwischen Gesellschafter und Geschäftsführer nicht entgegen, wie die Einlagemittel zu verwenden sind, wenn die Verwendung der Umsetzung von Investitionsentscheidungen oder sonstigen der Entscheidung der Gesellschafter obliegenden geschäftspolitischen Zwecken dient. Die Einlage steht aber z.B. dann nicht zur freien Verfügung, wenn sie binnen weniger Tage wieder an den Einleger zurückfließt oder absprachegemäß umgehend als Darlehen an diesen oder ein mit ihm verbundenes Unternehmen zurückgezahlt wird. Das sollte selbst dann gelten, wenn der Gesellschafter später das Darlehen zurückgezahlt hat (vgl. nun aber die MoMiG-Regelung, siehe Rdn 248 ff.). Nach der – mE unrichtigen – BGH-Rspr. vor dem MoMiG gibt es kein Sonderrecht der Kapitalaufbringung für die Komplementär-GmbH einer GmbH & Co KG; deren Einlageforderung sei nicht erfüllt, wenn diese die gezahlten Einlagemittel umgehend als Darlehen an die von den Inferenten beherrschte KG weiterleite. Nach der MoMiG-Neuregelung erscheint diese Rspr. obsolet (vgl. Rdn 250) – gem. § 3 Abs. 4 S. 1 EGGmbHG rückwirkend. Zahlt der Gesellschafter seine Einlage auf sein eigenes Konto ein, das er zugleich als Geschäftskonto der GmbH nutzt, tilgt dies die Einlageschuld, wenn und soweit die Gesellschaft die Bareinlage tatsächlich zur Begleichung von Gesellschaftsverbindlichkeiten nutzt. Eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung ist nicht nötig, wenn sich der Zahlungsbetrag exakt der Einlage zuordnen lässt. Schuldbefreiend wirkt ein auf ein im Debit geführtes Gesellschaftskonto (nur) dann, falls die Geschäftsführer über den eingezahlten Betrag frei verfügen können, ohne dass es insoweit auf einen förmlichen Kreditrahmen ankommt. Der sachliche und enge zeitliche Zusammenhang zwischen Ein- und Auszahlung begründete nach der Vor-MoMiG-Rspr. die Vermutung einer entsprechenden Absprache, was mE nach dem MoMiG obsolet ist (vgl. Rdn 250). Barzahlungen an den Geschäftsführer können problematisch sein.
Die Pflicht zur Leistung endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer erstreckt sich nicht auf Zuzahlungen in die freien Kapitalrücklagen, die die Gesellschafter neben den Zahlungen auf Grundkapital sowie Agio leisten müssen.
Rz. 38
Unzulässig sind auch Gestaltungen, die eine verdeckte Sacheinlage begründen (vgl. Rdn 247 ff.).
Rz. 39
Die Gesellschafter dürfen gem. § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG gegen den Anspruch der GmbH auf Zahlung der Stammeinlage mit Ansprüchen gegen die GmbH nur ausnahmsweise aufrechnen – nämlich nur "mit einer Forderung aus der Überlassung von Vermögensgegenständen, deren Anrechnung auf die Einlageverpflichtung nach § 5 Abs. 4 S. 1 GmbHG vereinbart worden ist". Darüber hinaus ist nach der MoMiG-Regelung zum Hin- und Herzahlen (vgl. Rdn 250) auch eine Aufrechnung des Gesellschafters gegen den Anspruch auf Darlehensrückzahlung möglich. Denn nach § 19 Abs. 5 S. 1 GmbHG befreit das Hin- und Herzahlen den Gesellschafter bei Liquidität und Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs "von seiner Einlageverpflichtung". Daher gilt das Aufrechnungsverbot nicht, denn dieses betrifft nur die Einlageverpflichtung. Von dieser ist der Gesellschafter beim Hin- und Herzahlen "befreit". Zahlt ein Gesellschafter den auf die Stammeinlage eingeforderten Betrag nicht rechtzeitig, muss er Verzugszinsen zahlen. Die GmbH kann einem säumigen Gesellschafter bei verzögerter Einzahlung gem. § 21 Abs. 1 GmbHG (Formerfordernis eingeschriebener Brief) eine bestimmte Nachfrist setzen unter Androhung seines Ausschlusses mit dem Geschäftsanteil, auf dem er säumig ist; die Frist muss mindestens einen Monat betragen. Nach deren fruchtlosem Ablauf ist der Gesellschafter seines Geschäftsanteils und der geleisteten Teilzahlung zugunsten der Gesellschaft verlustig zu erklären (Kaduzierung). Dies bewirkt den Ausschluss des Gesellschafters aus der GmbH. Der Geschäftsanteil bleibt erhalten, die Geschäftsführer haben ihn nach § 23 GmbH zu verwerten.
Rz. 40
Einlageforderungen verjähren in zehn Jahren ab Fälligkeit; wird das Insolvenzverfahren über das GmbH-Vermögen eröffnet, "tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung ein" (§ 19 Abs. 6 GmbHG). Diese Regelung soll sich nur auf Einlageforderungen (Bar- wie Sacheinlage), nicht auf Nebenleistungen oder Agio beziehen. Verjährenlassen kann Geschäftsführerhaftung nach § 43 GmbHG und Anfechtbarkeit nach § 129 InsO, § 3 AnfG begründen.
Der Gesellschafter trägt die Darlegungs- und Beweislast für die ...