Rz. 236

Alle Gesellschafter der GmbH haben nach heute h.M. analog § 186 AktG ein gesetzliches Bezugsrecht auf das erhöhte Stammkapital.[895]

Die ursprüngliche Satzung kann das Bezugsrecht einschränken oder ausschließen.[896] Auch der Kapitalerhöhungsbeschluss soll nach h.M. unter besonderen Voraussetzungen (vgl. dazu sogleich) das Bezugsrecht ausschließen können. Das ist mE schon deshalb unrichtig, da alle Gesellschafter im Rahmen der Ausfallhaftung gem. § 24 GmbHG (vgl. Rdn 40) haften, wenn die neuen Gesellschafter Erhöhungsbeträge nicht aufbringen;[897] für Altgesellschafter ist es unzumutbar, für eine Erhöhung zu haften, die sie nicht selbst zeichnen durften; mE widerspricht das auch dem Mehrbelastungsverbot nach § 707 BGB. Jedenfalls bedarf der Bezugsrechtsausschluss nicht nur der ¾-Stimmenmehrheit des § 53 Abs. 2 GmbHG, sondern analog § 186 Abs. 3 S. 2 AktG mindestens einer ¾-Kapitalmehrheit.[898] Es gelten zudem formelle[899] und materielle Schranken für den Bezugsrechtsausschluss: Dessen sachlicher Grund ist oft das Interesse der Gesellschaft an der Einbringung bestimmter Sacheinlagen oder ein Kooperationsinteresse. Allein das Interesse an der Sacherhöhung rechtfertigt keinen Ausschluss. Bei Ausschluss darf der Ausgabebetrag der neuen Anteile jedenfalls nicht unangemessen niedrig sein (analog § 255 Abs. 2 AktG).[900]

Nach der herkömmlichen Rspr. zum Aktienrecht musste der Ausschluss im Interesse der Gesellschaft erforderlich, geeignet und angemessen sein, d.h., ihn durfte kein weniger hartes Mittel ersetzen können. Zudem musste die Gesellschaft nach einer vernünftigen kaufmännischen Überlegung ein dringendes Interesse am Erwerb des Gegenstandes haben, und es musste zu erwarten sein, dass der angestrebte Nutzen den Beteiligungs- und Einflussverlust der vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Gesellschafter aufwiegt.[901] Der BGH hat diese Anforderungen zum Aktienrecht erheblich reduziert,[902] was nicht auf die GmbH zu übertragen ist:[903]

Verstöße gegen das Bezugsrecht sind auch durch faktischen/verdeckten Bezugsrechtsausschluss möglich; dabei ist das Bezugsrecht zwar formal gewahrt, aber einzelne Gesellschafter sind faktisch an seiner Ausübung gehindert. Beispiele sind überhöhtes Agio, Mindestbesitz von Geschäftsanteilen oder Auferlegung zusätzlicher Verpflichtungen als Voraussetzung der Übernahme.[904]

Bei der Ausgabe der neuen Anteile ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.[905]

[895] Scholz/Priester/Tebben, § 55 Rn 42 ff.; NK/Inhester, § 55 Rn 28; Henssler/Strohn/Gummert, § 55 Rn 16; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 55 Rn 22; Baumbach/Hueck/Servatius, § 55 Rn 20; Schmidt, § 37 V 1a ee); BGH NZG 2005, 551; aA Roth/Altmeppen/Roth, § 55 Rn 20; differenzierend Hachenburg/Ulmer, § 55 Rn 40 ff.; Ulmer/Ulmer/Casper, § 55 Rn 51 ff.
[896] Vgl. zur Problematik des Bezugsrechtsausschlusses, die einem teilweisen Ausschluss aus der Gesellschaft gleichkommt und einen Verwässerungseffekt bzgl. der Herrschaftsverhältnisse und eine Vermögensbeeinträchtigung begründet, einführend Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn 6.23 ff.
[897] Vgl. Baumbach/Hueck/Kersting, § 24 Rn 5; Scholz/Emmerich, § 24 Rn 16 f.; RGZ 93, 252.
[898] Insoweit zutreffend Baumbach/Hueck/Servatius, § 55 Rn 25a; Henssler/Strohn/Gummert, § 55 Rn 17; Michalski/Hermanns, § 55 Rn 46 demgegenüber fordern nur satzungsändernde Mehrheit; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 55 Rn 23; Scholz/Priester/Tebben, § 55 Rn 61; Art. 29 Abs. 4 S. 2 Nr. 40 der Zweiten gesellschaftsrechtlichen (Kapital-)Richtlinie der EG, ABl L 26 v. 31.1.1977, S. 1 ff. verlangen bei AG für die Zulässigkeit eines Bezugsrechtsausschlusses lediglich einen mit qualifizierter Mehrheit gefassten Hauptversammlungsbeschluss, das nationale Recht kann aber eine größere Quote vorschreiben.
[899] Vgl. z.B. den Bericht zum Bezugsrechtsausschluss, der gerade auch beim genehmigten Kapital besondere Bedeutung hat, vgl. Eggert, GmbHR 2014, 856, 861 ff.
[900] Vgl. zur Auslegung der Kommentierungen zu § 255 AktG; BGHZ 71, 40 (Kali + Salz) m.w.N.
[901] BGHZ 71, 40, 44 ff.; BGHZ 83, 319, 320 ff.
[902] Ausgehend vom Urt. Siemens/Nold, BGHZ 136, 133, zum Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital in der AG (zur GmbH vgl. Rdn 230 ff.). Vgl. aus der umfangreichen Lit. Lutter, JZ 1998, 47 (Urteil sei ein Unglück; Vorstand könne nunmehr "mit dem Einkaufskorb durch die Lande mit Aktien der Gesellschaft als Zahlungsmittel im Geldbeutel gehen"); andere begrüßen Entscheidung als "Ja zum Wirtschaftsstandort Deutschland", Bungert, NJW 1998, 488, 492; zurückhaltender Hirte, EWiR 1997, 1013 f.; Ihrig, WiB 1997, 1181 f. Vgl. zur Kontroverse beim genehmigten Kapital um die Frage, ob der Vorstand gem. § 186 Abs. 4 S. 2 i.V.m. § 192 AktG vor der Ausübung der Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss erneut einen schriftlichen Bericht erstatten muss, Meilicke/Heidel, DB 2000, 2358; Kölner Kommentar-Lutter, § 203 AktG Rn 31; Hüffer, § 203 AktG Rn 36 bis zur 4. Aufl. einerseits und andererseits Geßler/Hefermehl/Bungeroth, § 203 AktG Rn 27; Marsch, AG ...

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