1. Erhaltung des Stammkapitals

a) Grundsätze

 

Rz. 282

Gem. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG darf die GmbH das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen[1024] an die Gesellschafter nicht auszahlen (Auszahlungsverbot). Die bilanzielle Betrachtung ist gem. § 30 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 GmbHG maßgebend für die Beurteilung der (Un-)Zulässigkeit der Auszahlung.[1025] Das Verbot gilt gem. § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG nicht bei (1) Leistungen, die durch einen "vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter" gedeckt sind“ sowie (2) Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages (§ 291 AktG).[1026] Erbringt die GmbH trotz des Verbots unzulässig die Leistung, besteht die gesellschaftsrechtliche Erstattungspflicht gem. § 31 GmbHG (vgl. Rdn 289 f.). Zudem haften die Geschäftsführer[1027] (auch die faktischen, zu deren Haftung allg. vgl. Rdn 124). Das Verbot ist streng auszulegen. Es verbietet jede Umgehung, ist aber kein Schutzgesetz gem. § 823 Abs. 2 BGB: Gläubiger soll es hinreichend schützen, dass sie den Anspruch der GmbH nach § 31 GmbHG pfänden und sich überweisen lassen können.[1028] Auch die beabsichtigte Umgehung des Verbots zieht nicht die Folgen der §§ 134, 812 ff. BGB nach sich.[1029]

§ 43a GmbHG ergänzt das Auszahlungsverbot um das Verbot einer Kreditgewährung an Geschäftsführer, andere gesetzliche Vertreter (Liquidatoren), Prokuristen und zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte; diesen darf Kredit nicht aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen gewährt werden.[1030] Es erfasst zwar nicht leitende Angestellte, Aufsichtsratsmitglieder (selbst bei maßgebendem Einfluss auf die Geschäftsführung) und Gesellschafter,[1031] verbietet aber Kredite einer GmbH & Co. KG an Geschäftsführer, Prokuristen etc. der Komplementär-GmbH sowie verdeckte oder mittelbare Zuwendungen an Strohmänner, Ehegatten oder minderjährige Kinder, die dem Geschäftsführer etc. zuzurechnen sind.[1032] Ungeklärt ist, ob § 43a GmbHG Kredite an verbundene Unternehmen und deren Organmitglieder verbietet.[1033]

[1024] Demgegenüber darf nach § 57 Abs. 3 AktG den Aktionären vor Auflösung der Gesellschaft nur der formell festgestellte Bilanzgewinn verteilt werden, vgl. zu den Unterschieden GmbH und AG BGHZ 142, 92 = DStR 1999, 1366 (Goette); Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn 5.77 ff.
[1025] Durch das MoMiG normierte Abkehr vom überzogenen "November-Urteil" des BGH, vgl. Rdn 289. Vgl. zur Frage der Geltung der Neuregelung auch für die Vergangenheit 8. Aufl., Rn 269.
[1026] Vgl. Altmeppen, NZG 2010, 361.
[1027] Das Auszahlungsverbot richtet sich nicht gegen Prokuristen oder sonstige verfügungsberechtigte Angestellte der GmbH. Diese können aber aus pVV des Anstellungsvertrages haftbar sein, ggf. auch deliktisch nach §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB, BGH DB 2001, 1770; vgl. allg. Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30 Rn 66.
[1028] BGHZ 110, 342, 359; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30 Rn 1; Scholz/Verse, § 30 Rn 126, § 31 Rn 30.
[1029] BGHZ 136, 125, in Abgrenzung zu BGHZ 95, 188, 192; BGHZ 81, 365, 367 sowie BGHZ 69, 274, 280.
[1030] Nach h.M. bezieht sich das Verbot einer Darlehensgewährung nur auf den Zeitpunkt der Ausreichung des Darlehens; ein solches wird daher nicht nachträglich sofort zur Rückzahlung fällig, wenn eine Unterbilanz entsteht, BGH ZIP 2012, 1071 Rn 36 ff.; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 43a Rn 4; Baumbach/Hueck/Beurskens, § 43a Rn 2; Henssler/Strohn/Oetker, § 43a Rn 7; aA Scholz/Schneider, § 43a Rn 42 ff.; Peltzer, in: FS Rowedder, 1994, S. 342.
[1031] Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 43a Rn 4; Baumbach/Hueck/Beurskens, § 43a Rn 8; Scholz/Schneider, § 43a Rn 30 (aA) hinsichtlich Gesellschaftern, Rn 63; BGHZ 157, 72, 74.
[1032] Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, § 43a Rn 4; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 43a Rn 4.
[1033] Mit Recht bejahend Scholz/Schneider, § 43a Rn 63; Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133, 135; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 III 6b; ähnlich Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 43a Rn 4; aA Rowedder/Schmidt-Leithoff/Schnorbus, § 43a Rn 4; Henssler/Strohn/Oetker, § 43a Rn 6;Baumbach/Hueck/Beurskens, § 43a Rn 8; Michalski/Lieder, § 43a Rn 18, 21; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 43a Rn 9 f.; soweit aA wird weithin unmittelbar § 30 GmbHG angewendet, vgl. insb. Cahn, Kapitalerhaltung, S. 255 ff.; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 1998, S. 301 ff.

b) Wesentlicher Inhalt des Auszahlungsverbots nach § 30 Abs. 1 GmbHG

 

Rz. 283

§ 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG verbietet die Auskehr von Vermögen an Gesellschafter, wenn und soweit dadurch das Stammkapital nicht mehr durch Vermögen gedeckt bzw. eine Unterdeckung vertieft wird.[1034] Das Verbot richtet sich zumal gegen die Geschäftsführer – nicht unmittelbar gegen Prokuristen und sonstige Mitarbeiter.[1035]

[1034] Der Sonderposten mit Rücklageanteil, § 273 HGB, ist nicht vom Auszahlungsverbot umfasst, Schmitt, GmbHR 2002, 349.
[1035] Diese können aber bei Auszahlung entgegen § 30 GmbHG wegen pVV ihres Anstellungsvertrages haften, jedenfalls wenn keine Weisung des Geschäftsführers oder der Gesellschafter vorliegt, BG...

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