Rz. 313
Das MoMiG (zum zeitlichen Anwendungsbereich vgl. Rdn 301) normiert die folgenden Rechtsfolgen für Gesellschafterdarlehen: Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (zur Rechtslage außerhalb des Verfahrens vgl. Rdn 316) werden gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO die Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens sowie aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen (vgl. Rdn 302 f.), im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger berichtigt. Gem. § 44a InsO kann ein Gesellschaftsgläubiger nach Maßgabe von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens oder für eine gleichgestellte Forderung, für die ein Gesellschafter eine Sicherheit bestellt oder für die er sich verbürgt hat, nur anteilsmäßige Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen, soweit er bei der Inanspruchnahme der Sicherheit oder des Bürgen ausgefallen ist.
§ 135 Abs. 1 InsO gewährt ein Anfechtungsrecht für sämtliche Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich entsprechende Sachverhalte i.S.v. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Das Recht gibt es in zwei Varianten: Anfechtbar ist eine Rechtshandlung
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nach Nr. 1, die für eine Forderung auf Rückgewähr des Gesellschafterdarlehens Sicherung gewährt hat, wenn das geschah (1) nach oder (2) binnen zehn Jahren vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, und |
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nach Nr. 2, die dem Gesellschafter Befriedigung gewährt hat, wenn das geschah (1) nach oder (2) im Jahr vor dem Antrag. |
Sämtliche Befriedigungen oder Sicherungen zugunsten der Gesellschafter innerhalb der kritischen Zeit von einem Jahr sind anfechtbar, selbst wenn die Insolvenz durch ein plötzliches externes Ereignis verursacht ist. Nach einem überraschenden BGH-Urteil zum Verhältnis der Anfechtungstatbestände greift die Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO mangels Sperrwirkung der Nr. 2 auch bei Verwertung länger als ein Jahr vor Insolvenzantrag. Ein Gesellschafter, der aus einer von der GmbH gegebenen Sicherheit befriedigt wird, muss daher "10 Jahre lang um das Behaltendürfen zittern (ggf. auch nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft)". Nur wer aus der Liquidität der GmbH und nicht unter Inanspruchnahme der Sicherheit befriedigt wird, ist vor Anfechtung sicher. Das Urteil benachteiligt unsystematisch Gesellschafter, die für ihr Darlehen eine Sicherheit hatten und sich aus dieser mehr als ein Jahr vor dem Insolvenzantrag befriedigt hatten, gegenüber anderen Gesellschaftern, denen die GmbH zum gleichen Zeitpunkt das Darlehen schlicht zurückgezahlt hatte. Die Rspr. kann gravierende Auswirkungen auf Kontokorrentverhältnisse und Cash-Pools haben, weil man in der Rückzahlung aus gepoolten Geldern eine Sicherheitenverwertung sehen können mag.
§ 135 Abs. 2 InsO sieht Anfechtung in dem Fall vor, dass die Gesellschaft im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens (oder einer diesem wirtschaftlich entsprechenden Forderung) Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt oder gebürgt hatte.
Rechtsfolge: Was durch die anfechtbare Handlung veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, ist zur Insolvenzmasse zurückzugewähren (§ 143 Abs. 1 InsO). Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist (§ 143 Abs. 2 InsO). Bei Anfechtung nach § 135 Abs. 2 GmbHG hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Analog § 143 Abs. 3 InsO behandelt der BGH sog. "Doppelsicherungen". Werde die am Vermögen sowohl der GmbH als auch eines Gesellschafters gesicherte Forderung eines Gläubigers nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die GmbH durch Verwertung der von dieser gestellten Sicherheit befriedigt, müsse der Gesellschafter den an den Gläubiger ausgekehrten Betrag zur Insolvenzmasse erstatten.
Fazit: Rückzahlungen von ungesicherten Gesellschafterdarlehen außerhalb der Insolvenznähe ein Jahr vor Eröffnungsantrag sind unkritisch; alle Formen von Sicherungen von Gesellschafterdarlehen durch die Gesellschaft bringen bei deren Verwertung die Gesellschafter in die Gefahr der zehnjährigen Haftung. Für die Gesellschafter, die ihrer Gesellschaft ein Darlehen gewähren, ist es angesichts dieser massiven Haftung ein schwacher Trost, dass § 31 GmbHG (vgl. Rdn 290 ff.) für Gesellschafterdarlehen nicht gilt.
Rz. 314
§ 135 Abs. 3 InsO regelt die Nutzungsüberlassung (vgl. Rdn 305). Ein Gesellschafter kann seinen Aussonderungsanspruch an einem Gegenstand, den er dem Insolvenzschuldner "zum Gebrauch oder zur Ausübung überlassen" hat, während des Insolvenzverfahrens, höchstens aber für ein Jahr ab dessen Eröffnung, nicht geltend machen, wenn der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens des Insolvenzschuldners von erheblicher Bedeutung ist. Für Gebrauch oder "Ausübung" des Gegenstands gebührt dem Gesellschafter ein Aus...