I. Typischer Sachverhalt
Rz. 321
Herr Baumeister (B) ist Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer der Baumeister GmbH (B GmbH) und als einzelunternehmerischer Finanzberater im Handelsregister eingetragen. Er war überdies Gesellschafter-Geschäftsführer zusammengebrochener GmbHs bzw. GmbH & Co KGs. B hatte mit der Hausbank W eine Gesamthaftung aller Gesellschaften vereinbart und W zur Sicherheit Vermögensgegenstände des Gesellschafts- und Privatvermögens übereignet. B GmbH war für Schulden von Schwesterunternehmen aufgekommen. B hatte die W ermächtigt, Konten wechselseitig auszugleichen. Die Kleefuß Bauunternehmung GmbH (K) hat Ansprüche gegen B GmbH aus einem Bauvorhaben, die sie wegen des zwischenzeitlichen Zusammenbruchs der B GmbH (Insolvenzabweisung mangels Masse) nicht realisieren konnte. K möchte wissen, ob ein unmittelbares Vorgehen gegen B Erfolg verspricht oder ob erst ein Titel gegen die B GmbH erforderlich ist.
II. Rechtliche Grundlagen
Rz. 322
Nach der Eintragung haftet gem. § 13 Abs. 2 GmbHG für Verbindlichkeiten der GmbH nur deren Vermögen, nicht das der Gesellschafter. Von diesem Grundsatz gibt es wesentliche Ausnahmen. Deren Geltendmachung erleichtert die Rspr. durch Einsichtsrechte in Akten des Insolvenzverfahrens – auch bei Abweisung mangels Masse. Es haftet nur der tatsächliche Gesellschafter, wofür es nicht auf die Eintragung in der Gesellschafterliste (vgl. Rdn 45) ankommt; Scheingesellschafter haften grundsätzlich nicht.
1. Vorbelastung des Stammkapitals – Unterbilanzhaftung (Differenzhaftung, Vorbelastungshaftung)
Rz. 323
Soweit sich durch Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft bei Eintragung im Handelsregister eine Differenz zwischen dem Stammkapital und dem Wert des Vermögens ergibt, haften deren Gesellschafter anteilig auf Ausgleich; die Haftung kann ebenso wie die restliche Einlagepflicht der Gesellschafter eine Ausfallhaftung der Mitgesellschafter gem. § 24 GmbHG auslösen (vgl. Rdn 14, 328). Unterbilanzhaftung (sogar von Erwerbern von Geschäftsanteilen ohne Kenntnis des Vorgangs, vgl. Rdn 47) begründet nach zweifelhafter Rspr. der Verstoß gegen die Pflicht zur Offenlegung der sog. wirtschaftlichen Neugründung bei Aktivierung einer Vorrats- oder Mantel-GmbH.
2. Rechtsgeschäftliche Haftung
Rz. 324
Jeder Gesellschafter kann aufgrund spezieller Vereinbarung oder aus cic, § 311 BGB für Verbindlichkeiten der GmbH eine Mitschuld oder eine Bürgschaft übernehmen oder die Schuld garantieren (vgl. Rdn 4, 112). Nach dem BGH begründet allein die Stellung als Gesellschafter-Geschäftsführer keine Vertreterhaftung wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses, § 311 Abs. 3 S. 2 BGB (vgl. Rdn 132). Das Ausscheiden des Gesellschafters aus der GmbH kann ein wichtiger Grund zur Kündigung des die Haftung begründenden Verhältnisses sein; dabei sind berechtigte Sicherungsinteressen der GmbH-Gläubiger zu berücksichtigen.
3. Haftung für Erhaltung des Stammkapitals und bei Eigenkapitalersatz/Gesellschafterdarlehen
Rz. 325
Die Rechtsfragen sind separat behandelt (siehe Rdn 301 ff.)
4. Haftung bei Unterkapitalisierung?
Rz. 326
Nach einer Mindermeinung haften die Gesellschafter bei Unterkapitalisierung persönlich für Schulden der GmbH, soweit sie diese eindeutig und klar erkennbar völlig unzureichend mit Eigenkapital ausstatten. Dem folgt die Rspr. zwar überwiegend nicht; der BGH hat kurz vor Inkrafttreten des MoMiG offengelassen, ob Gesellschafterhaftung nach § 826 BGB bei Unterkapitalisierung grundsätzlich in Betracht kommen kann, sah aber "im derzeitigen gesetzlichen System" keine Gesetzeslücke und verneinte die Haftung; das Unterlassen hinreichender Kapitalausstattung ("Aschenputtelkonstruktion") begründe auch keinen existenzvernichtenden Eingriff (vgl. Rdn 331 ff.), der einen kompensationslosen Eingriff in das GmbH-Vermögen voraussetze (vgl. Rdn 335).