Achtung: Zustellung in der Muttersprache Voraussetzung
Dem der Sprache des Tatortes nicht kundigen Betroffenen müssen die entsprechenden Schriftstücke - das gilt auch für die Zustellung eines Strafbefehls - in seiner Muttersprache zugestellt werden. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann ein ausländischer Titel in Deutschland vollstreckt werden (EuGH NZV 2017, 530; LG Aachen VRR 2018 Nr. 2,3).
I. Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG)
Rz. 8
Bis zur Verabschiedung des nachfolgend behandelten Geldsanktionengesetzes fehlte es - außer für Österreich (BGBl II 1990, S. 526) und die Niederlande (BGBl II 1997, S. 1351) im nationalen Recht an einem einheitlichen Instrument für eine effektive Vollstreckung von ausländischen Geldbußen und Geldstrafen in Deutschland, zumal das von den EU-Staaten geschlossene Schengener Übereinkommen über Geldbußenvollstreckung vom 28.4.1999 ebenso wenig ratifiziert worden war, wie das vergleichbare deutsch-schweizerische Polizeiabkommen vom 27.4.1998. Eine Vollstreckung schweizerischer Bußgeld- oder Strafbescheide in Deutschland ist deshalb auch nicht aufgrund des Luganovertrages zulässig (OLG Brandenburg DAR 2017, 334).
Zwar ermöglichte das IRG schon bisher die Vollstreckung eingehender ausländischer Ersuchen in Deutschland. Seine Regelungen sind jedoch so kompliziert, dass sie vor allem für Massendelikte wie Straßenverkehrszuwiderhandlungen nicht praktikabel sind.
II. Rb-Geld und europäisches Geldsanktionengesetz
1. Allgemein
Rz. 9
Mit dem Rb-Geld (EU-Rahmenbeschluss über die Vollstreckung von Geldsanktionen des Rates vom 24.2.2005) füllte der europäische Gesetzgeber die bisher bestehende Lücke und verpflichtete die Mitgliedstaaten sogleich, dieses umfassende und auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruhende Rechtsinstrument in nationales Recht umzusetzen.
Dies hat der deutsche Gesetzgeber mit dem Geldsanktionengesetz vom 18.10.2010 (BGBl I 2010, S. 1409 ff.) getan und die entsprechenden Vorschriften als §§ 86, 87 in den 9. Teil des IRG eingearbeitet.
Bis auf Griechenland haben zwischenzeitlich alle EU-Länder die Vorgaben der Richtlinie in nationales Recht umgesetzt.
Rz. 10
Danach können jetzt in Deutschland nicht nur Urteile von ausländischen Gerichten, sondern auch Bußgeldbescheide von Behörden vollstreckt werden, sofern mit ihnen (nach dem Recht des ersuchenden Staates!) entweder eine strafbare Handlung (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 IRG) oder Verwaltungsunrecht (§ 87 Abs. 2 Nr. 3 IRG) geahndet wird und die Geldbuße (einschließlich der Verfahrenskosten!) mindestens 70 EUR beträgt (§ 87a Nr. 2 IRG).
Rz. 11
Die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung verbietet eine inhaltliche Prüfung der ausländischen Entscheidung auch bzgl. der Höhe der verhängten Buße (OLG Düsseldorf DAR 2012, 476; OLG Köln DAR 2013, 586), so dass eine Reduzierung der Geldbuße unzulässig ist (OLG Koblenz DAR 2012, 219; OLG Braunschweig NZV 2013, 148; OLG Hamm SVR 2014, 30).
Soweit die zugrundeliegenden Verstöße in der dem Art. 5 Abs. 1 Rb-Geld beigefügten Liste aufgeführt sind, ist darüber hinaus auch bereits die Prüfung der beiderseitigen Sanktionierbarkeit nicht zulässig. In dieser Liste sind alle Verhaltensweisen aufgeführt, die gegen die den Straßenverkehr regelnden Vorschriften verstoßen, also auch Verwaltungsübertretungen (Verkehrsordnungswidrigkeiten) einschließlich der Verstöße gegen Vorschriften zu Lenk- und Ruhezeiten sowie zum Gefahrgutrecht.
Rz. 12
Achtung: Vollstreckung ausländischer Straferkenntnisse
Ein ausländisches Straferkenntnis, mit dem gegen einen deutschen Staatsangehörigen eine Freiheitsstrafe verhängt wurde, kann auch dann in Deutschland für vollstreckbar erklärt werden, wenn der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt in Deutschland lediglich einen OWi-Tatbestand erfüllt. Ausnahmen sind nur denkbar, wenn die Strafe als "unerträglich oder in keiner Weise vertretbar" anzusehen wäre, was bei einer 12-monatigen Freiheitsstrafe wegen "skrupelloser Verkehrsverstöße" jedoch nicht der Fall ist (OLG Stuttgart DAR 2018, 454).""
Rz. 13
Um eine schnellere grenzüberschreitende Verfolgung von Verkehrsverstößen zu ermöglichen, verpflichtet die EU-Richtlinie 2011/82/82/EU vom 11.2.2015 die Mitgliedstaaten zum Austausch der Kfz-Halterdaten, soweit es um überhöhte Geschwindigkeit, Fahren unter Alkoholeinfluss oder Drogen, nicht Angurten oder Überfahren einer roten Ampel, wie auch das Nichttragen eines Helmes, die unerlaubte Nutzung der Standspur oder die Handynutzung während der Fahrt geht. Danach muss der Zulassungsstaat auf Anfrage hin dem Staat, in dem ein entsprechender Verstoß begangen wurde, die Halterdaten mitteilen. Deutschland hat die Übermittlung der Halterdaten unter Bezugnahme auf die EU-Richtlinie durch das 4. Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 28.8.2013 (BGBl 2013 I S. 3310 ff.) in nationales Recht umgesetzt.
Im Mai 2014 hat der Europäische Gerichtshof dem europäischen Gesetzgeber zwar aufgegeben, die Rechtsgrundlage der Richtlinie zu ändern, ihr wesentlicher Inhalt bleibt davon jedoch unberührt.
Rz. 14
Das Erkenntnisverfahren selbst läuft nach wie vor nac...