Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
a) Verbot geltungserhaltender Reduktion
Rz. 793
Verstößt der Arbeitgeber durch die Verwendung einer Klausel gegen die §§ 307 bis 309 BGB hat dies die Unwirksamkeit der Klausel zur Folge. Die Unwirksamkeit einer Klausel führt zu ihrem ersatzlosen Wegfall bei Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrages i.Ü., § 306 Abs. 1 und 2 BGB. Eine für die Praxis außerordentlich wichtige Unterscheidung ist bei der Rechtsfolgenbestimmung und der Vertragsgestaltung zu beachten: Auf einen Verstoß gegen § 307 BGB und die sich daraus ergebende Unwirksamkeit kann sich der Verwender der AGB nicht berufen. Die Inhaltskontrolle schafft lediglich einen Ausgleich für die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den Klauselverwender, sie dient aber nicht dessen Schutz vor den von ihm selbst eingeführten Formularbestimmungen (BAG v. 27.10. 2005 – 8 AZR 3/05; BAG v. 26.9.2016 – 2 AZR 509/15). So bliebe der Klauselverwender an die von ihm selbst formulierte zu kurze Ausschlussfrist gebunden, während der AN an diese Ausschlussfrist wegen ihrer Unwirksamkeit nicht gebunden ist. Der AG wäre an eine Konzernversetzungsklausel gebunden und müsste sich diese bei dem Ausspruch einer Änderungskündigung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten entgegenhalten lassen, während der AN von der Unwirksamkeit einer Konzernversetzungsklausel ausgehen könnte, an deren Stelle das gesetzliche Weisungsrecht nach § 106 GewO treten würde.
Darüber hinaus gilt das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion: Der Verwender, der unangemessene Vertragsbedingungen stellt, soll auch nicht noch den Vorteil haben, dass das Gericht sie auf das gerade noch Zulässige beschränkt. Auf diese Weise soll der Verwender das Risiko der Unwirksamkeit einer Klausel alleine tragen (BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, BB 2004, 1740, 1746; BAG v. 25.5.2005, NJW 2005, 3305; BAG v. 23.9.2010, NZA 2011, 89; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09). Bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten ist dagegen weiterhin auf der Grundlage des § 74a Abs. 1 HGB auch in der Zukunft von einer geltungserhaltenden Reduktion auszugehen.
Rz. 794
Die praktischen Konsequenzen des Verbotes einer geltungserhaltenden Reduktion sind weitreichend. Es treten nämlich an die Stelle der unwirksamen Bestimmung die gesetzlichen Vorschriften, § 306 Abs. 2 BGB. Existiert aber für die so entstandene Vertragslücke kein dispositives Recht, so geht der Arbeitgeber als Verwender im Regelfall das Risiko ein, dass überhaupt keine Regelung vorhanden ist. Die Vereinbarung einer zu hohen Vertragsstrafe führt deshalb dazu, dass der Arbeitgeber überhaupt keinen Anspruch auf eine Vertragsstrafe hat.
b) Teilbarkeit einer Klausel
Rz. 795
Im Hinblick auf die Annahme einer Ausnahme vom Verbot der geltungserhaltenden Reduktion ist des Öfteren der sog. Blue Pencil-Test genannt worden. Dieser soll Folgendes bedeuten: Sind zwei Teile einer Klausel inhaltlich und sprachlich trennbar, weil der unwirksame Teil ohne Weiteres gestrichen werden kann, ohne dass der Sinn des anderen Teiles darunter leidet, soll nach dieser Rechtsfigur die Klausel insoweit aufrechterhalten werden (BAG v. 11.4.2005, NZA 2006, 1043, 1045; BAG v. 21.4.2005, NZA 2005, 1053; BGH v. 3.12.2003, NJW 2004, 1240; LAG Brandenburg v. 29.7.2005, DB 2006, 786, zur Ausschlussfrist; BAG v. 13.4.2010, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47). Nach dieser Auffassung sind Gegenstand der Inhaltskontrolle dann für sich jeweils verschiedene, nur formal verbundene AGB-Bestimmungen (BAG v. 25.8.2010, EzA BGB 2002, § 307 Nr. 49; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09). Z.B. haben Widerrufs- und Anrechnungsvorbehalte unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen und sind damit teilbar (BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746). Dagegen ist eine Klausel, nach der die vom Arbeitgeber getragenen Ausbildungskosten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne jede Rücksicht auf den Beendigungsgrund vom Arbeitnehmer zurückgezahlt werden müssten, nicht teilbar. Hier wird eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Rückzahlung von Ausbildungskosten angenommen (BAG v. 11.4.2005, NZA 2006, 1043).
Rz. 796
Daraus entwickelt sich die Frage, wie die Teilbarkeit einer Klausel zu bestimmen ist. Das BAG hat die oben genannte Figur bereits eingesetzt zur teilweisen Aufrechterhaltung einer Vertragsstrafenklausel, die zumindest teilweise nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam war (BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, BB 2005, 2822, 2824; abl. Thüsing, BB 2006, 661, 662; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 119). Entscheidend muss dabei sein, wann eine Klausel eine einheitliche Regelung enthält oder wann sie mehrere Regelungen in sich vereint. Auch für eine zweistufige Ausschlussfrist ist eine Teilbarkeit anzunehmen. Die Teilbarkeit einer solchen Klausel ist mittels einer Streichung des unwirksamen Teiles mit einem "blauen Stift" zu ermitteln. Ist die verbleibende Regelung weiter verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist, ob sie mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind dann sich jeweils verschiedene, nur for...