Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 403
In der Rspr. des BAG ist anerkannt, dass ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der sich nicht in dem bloßen Hinweis erschöpft, dass sich der Arbeitgeber "freiwillig" zur Erbringung der Leistung verpflichtet, ohne dazu durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz gezwungen zu sein (BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14) wirksam das Entstehen eines Rechtsanspruches des Zuwendungsempfängers auf künftige Sonderzahlungen hindern kann (BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07; BAG v. 11.4.2000 – 9 AZR 255/99; BAG v. 12.1.2000 – 10 AZR 840/98). Jeder individualvertragliche Freiwilligkeitsvorbehalt unterliegt allerdings strikten Grenzen, die die Arbeitsgerichte entwickelt haben. Seit jeher entspricht es der Rechtsprechung, dass der Arbeitgeber bei laufendem Arbeitsentgelt einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers nicht unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt stellen kann (zuletzt BAG v. 3.9.2014 – 5 AZR 1020/12). Zudem hat das BAG in einer grundlegenden Entscheidung vom 14.9.2011 (10 AZR 526/10) festgestellt (Leitsatz 1):
Zitat
"Ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, benachteiligt den Arbeitnehmer regelmäßig unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB und ist deshalb unwirksam."
Lediglich außerhalb dieser Restriktionen bleibt die Möglichkeit, eine in Aussicht gestellte Sonderzahlung durch Freiwilligkeitsvorbehalt auszuschließen und sich die Entscheidung vorzubehalten, ob und in welcher Höhe der Arbeitgeber künftig Sonderzahlungen gewährt (st. Rspr., vgl. BAG v. 20. 2. 2013 – 10 AZR 177/12; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06; BAG v. 26.9.2007 – 10 AZR 569/06; BAG v. 28.3.2007 – 10 AZR 261/06).
Rz. 404
Ein derartiger Freiwilligkeitsvorbehalt bedarf keiner bestimmten Form. Der einzelne Arbeitnehmer muss jedoch von dem Vorbehalt Kenntnis erhalten. Insb. verstößt er nicht gegen den allgemeinen Grundsatz "pacta sunt servanda", da er die Entstehung des Leistungsanspruches für künftige Bezugsräume verhindert und es somit zu keiner verbindlichen Zusage der Sonderzahlung gekommen ist. Ein Anspruch entsteht nur auf die jeweils zugesagte Sondervergütung, die mit ihrer Zahlung erlischt (BAG v. 7.8.2002 – 10 AZR 709/01). Daher muss der Arbeitgeber zu Beginn des Bezugsraumes der Leistung auch nicht unter Berufung auf den Vorbehalt ankündigen, dass er keine Sonderzahlung leisten will. Auch bedarf die Ausübung keiner Begründung (BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07).
Rz. 405
Ein vorformulierter Freiwilligkeitsvorbehalt muss, soll er das Entstehen des Rechtsanspruches auf zukünftige Zahlungen verhindern, klar und verständlich i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sein und darf nicht in Widerspruch zu anderen Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien stehen (BAG v. 20.2.2013 – 10 AZR 177/12; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06). Ein Vorbehalt ist widersprüchlich und verstößt daher gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn eine im Arbeitsvertrag vorformulierte Regelung, die dem Wortlaut nach eindeutig einen Anspruch des Arbeitnehmers auf die Sonderzahlung auch nach Voraussetzung und Höhe präzise begründet, zugleich entgegen diesem Versprechen mit einer Freiwilligkeitsklausel einen Rechtsanspruch auf die versprochene Sonderzahlung ausschließt. Dies gilt insb. für Zahlungen, die gezielt das Verhalten des Arbeitnehmers steuern und seine Leistung beeinflussen wollen (BAG v. 20. 2. 2013 – 10 AZR 177/12; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07). Unklar und widersprüchlich ist nach der Rechtsprechung dementsprechend auch eine Klausel, die einen Freiwilligkeitsvorbehalt mit einem Widerrufsvorbehalt zu kombinieren versucht (BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10; BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09). Für den Arbeitnehmer als Vertragspartner erschließe sich damit nicht hinreichend, ob nun jegliche zukünftige Bindung ausgeschlossen oder lediglich eine Möglichkeit eröffnet werden solle, sich später wieder von einer vertraglichen Bindung loszusagen. Ein unwirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt fällt ersatzlos weg und kann insb. auch nicht in einen Widerrufsvorbehalt umgedeutet werden (BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07). Schließlich gelten die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines vereinbarten Widerrufsvorbehaltes nicht für den Freiwilligkeitsvorbehalt, da ersterer einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers voraussetzt, letzterer aber einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers von vornherein ausschließt (BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07). In der Entscheidung vom 14.9.2011 hat der 10. Senat des BAG zudem einen Rechtsprechungswechsel angekündigt, der sich auf die Frage bezieht, ob der Arbeitgeber neben dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalt zusätzlich mit der Leistungsgewährung auf die Freiwilligkeit der Leistung und das Fehlen eines Anspruchs auf künftige Leistungsgewährung hinweisen muss. Die bisherige ständige Rechtsprechung hatte dies verneint. Es bestand vielmehr die Auffassung...