Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
a) Begriff
Rz. 342
Als Zielvereinbarungen werden i.d.R. solche Abreden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verstanden, in denen periodisch und auf den individuellen Arbeitnehmer bezogene Ziele vereinbart werden, wobei sich die Vergütung nach dem Grad der Zielerreichung richtet. In der Gestaltung der Ziele sind die Vertragsparteien weitgehend frei, die Ziele müssen aber in jedem Fall erreichbar sein und dem Unternehmenserfolg dienen. Erscheinungsformen sind Zielvereinbarung mit dem einzelnen Arbeitnehmer und die Gruppenzielvereinbarung, d.h. die Zielvereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und einer Gruppe von Arbeitnehmern (Küttner, Personalbuch, Rn 1).
Rz. 343
Zielvereinbarungen tauchen in der betrieblichen Praxis teilweise in ihrer Ursprungsform als reines Personalführungsinstrument auf, überwiegend weisen sie aber zusätzlich einen Entgeltbezug auf. In letzterem Fall werden mit den Zielvereinbarungen zumeist sog. Zielboni verknüpft. Hierdurch wird ein leistungsbezogener Vergütungsbestandteil für solche Arbeitsverhältnisse implementiert, in denen die Arbeitsleistung nicht unmittelbar an den Arbeitsergebnissen gemessen werden kann, wie dies bspw. bei klassischen Provisionen der Fall ist.
Rz. 344
Zu unterscheiden sind Zielvereinbarungen von Zielvorgaben. Bei den Zielvorgaben handelt es sich im Gegensatz zur Zielvereinbarung um einseitig durch den Arbeitgeber vorgegebene Richtwerte, die der Arbeitnehmer innerhalb des benannten Zeitraumes erreichen soll. Da die maßgeblichen Ziele in der Praxis vielfach vom Vorgesetzten jedenfalls vorgeschlagen werden und der Arbeitnehmer diesen sodann nur zustimmen muss, kann die Abgrenzung der Zielvereinbarung von der Zielvorgabe im Einzelfall durchaus Probleme bereiten (Wisskirchen/Schwindling, ArbRAktuell 2017, 155). Entscheidend ist die Auslegung der Erklärungen der Parteien zum Zeitpunkt der Festlegung der Ziele sowie der zugrunde liegenden Rahmenvereinbarung nach den allgemeinen Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB). Die Abgrenzung von Zielvereinbarungen und Zielvorgaben ist wesentlich, weil hiervon verschiedene Rechtsfolgen abhängen. Die Zielvorgabe, mit der ein Arbeitgeber einseitig die Ziele bestimmt, unterliegt grds. der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB. Ist hingegen vereinbart, dass die Zahlung des Bonus durch die Erreichung von Zielen innerhalb einer Zielperiode aufschiebend bedingt ist (§ 158 Abs. 1 BGB), und sind nach der vertraglichen Regelung die Ziele von den Arbeitsvertragsparteien gemeinsam festzulegen, unterliegt diese Vereinbarung als Entgeltregelung grds. keiner allgemeinen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB. Es finden die Grundsätze über die freie Entgeltvereinbarung uneingeschränkt Anwendung (BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07; vgl. ferner: Moll, Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 20 Rn 54)
Rz. 345
Die Zielvereinbarung wird in der Praxis üblicherweise in einer Rahmenvereinbarung festgelegt. Diese Rahmenvereinbarung kann entweder bereits Bestandteil des Arbeitsvertrags oder aber Gegenstand einer zusätzlichen Vereinbarung sein. Oftmals wird von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Rahmenvereinbarung auf kollektiver Ebene durch Betriebsvereinbarung oder durch Tarifvertrag zu implementieren (Küttner, Personalbuch, Rn 5 ff.).
b) Rechtliche Grenzen
Rz. 346
Grds. hat sich in der Rspr. (BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 242/11, juris; BAG v. 23.5.2001 – 5 AZR 527/99; BAG v. 22.3.1989 – 5 AZR 151/88; vgl. auch Brors, RdA 2004, 273; eher krit.: Hümmerich, NJW 2006, 2294) im Zusammenhang mit der Sittenwidrigkeitskontrolle nach § 138 BGB die Tendenz herausgebildet, dass ca. ⅔ des (tarif-)üblichen Entgeltes als im Verhältnis zwischen Gesamtlohn und flexibler Vergütung nicht zu unterschreitendes Minimum zu betrachten sind und dieses Minimum nicht Gegenstand von Zielvereinbarungen sein kann. Allerdings hat das BAG auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es keine verbindlichen Grenzwerte gibt (BAG v. 23.5.2001 – 5 AZR 527/99). Eine völlige Variabilisierung des Entgelts ist nicht zulässig. Dem Arbeitnehmer muss es immer möglich sein, eine angemessene Vergütung zu verdienen. Nicht mehr angemessen ist eine Vergütung, die nach der Rechtsprechung sittenwidrig, bei Tarifbindung untertariflich oder unterhalb des Mindestlohns auf Zeitbasis nach § 1 Abs. 2 MiLoG liegt. In Banken und Versicherungen existieren spezielle Regeln: die Institutionsvergütungsverordnung (IVV) und die Versicherungsvergütungsverordnung (VersVV). Diese Verordnungen sehen für Geschäftsleiter und leitende Angestellte zwingend variable Vergütungsanteile vor, um europarechtlichen Vorgaben an das Risikomanagement zu genügen.
Rz. 347
Zielvereinbarungen sind einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB zu unterziehen, wenn sie – was der Regelfall sein wird – vom Arbeitgeber vorformuliert sind. Selbst wenn sie zwischen den Arbeitsvertragsparteien ausgehandelt wurden, muss die Zielvereinbarung dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB) entsprechen (BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07). Zielvereinbarungen ...