Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
a) Anwendbarkeit des § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB/Besonderheiten bei Einbeziehung von AGB
Rz. 753
AGB, ohne Rücksicht auf die Anwendbarkeit bei Arbeitsverträgen, werden grds. nach Maßgabe des § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB Vertragsbestandteil. Diese Regelungen verändern die allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätze der §§ 145 ff. BGB zum Schutze des Verbrauchers. Es genügt nämlich ein ausdrücklicher Hinweis des Verwenders auf die AGB bei Vertragsschluss. Hierdurch wird die Möglichkeit einer konkludenten vertraglichen Einbeziehung der vorformulierten Vertragsbedingungen eingeschränkt. Des Weiteren muss die Vertragspartei des Verwenders in die Lage versetzt werden, in zumutbarer Weise vom Inhalt der Vertragsbestimmungen Kenntnis zu nehmen und mit ihrer Geltung einverstanden zu sein.
Rz. 754
Diese Vorschriften sind für die Arbeitsverträge ausdrücklich ausgenommen, § 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 2 BGB. Diese Bestimmungen sollen nicht gelten. Die Materialien des SchuModG gehen davon aus, dass insoweit das NachwG eingreife; nach § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen auszuhändigen. Nach dem NachwG ist der Arbeitgeber aber nur zur Unterrichtung über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen verpflichtet, ein wirksamer Vertragsabschluss wird dabei schon vorausgesetzt. Dies muss zur Folge haben, dass die Einbeziehung allgemeiner Vertragsbedingungen für Arbeitsverträge damit den allgemeinen rechtsgeschäftlichen, vertragsrechtlichen Regelungen folgt (Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 83 f.). Erforderlich für die Einbeziehung von AGB ist damit ein Angebot und eine Annahme durch den Arbeitnehmer. Dies muss also zumindest die tatsächliche Möglichkeit haben, von den AGB des Arbeitgebers Kenntnis zu nehmen. Möglich ist damit auch eine konkludente Einbeziehung von Arbeitsvertragsbedingungen. Dies erzeugt vor allem praktische Relevanz dann, wenn es zu einer Bezugnahme auf Tarifverträge oder andere allgemeine Regelungswerke kommen soll. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang Aushänge am sog. Schwarzen Brett oder sog. Mitarbeiterhandbücher.
Rz. 755
Praxistipp
Zu einer wirksamen Einbeziehung dieser AGB oder Regelungswerke ist es erforderlich, dass dem Arbeitnehmer wenigstens eine ausreichende Möglichkeit der Kenntnisnahme eingeräumt wird, damit er deren Geltung in seinen rechtsgeschäftlichen Willen aufnehmen kann.
b) Verbot überraschender Klauseln, § 305c Abs. 1 BGB
Rz. 756
Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in AGB, die nach den Umständen, insb. nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Diese AGB-rechtliche Vorschrift soll eine Überraschung oder Übertölpelung des Arbeitnehmers bei der Einbeziehung von AGB verhindern. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen (BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04; BAG v. 19.1.2011 – 10 AZR 738/09, NZA 2011, 631; BAG v. 21.6.2011, NZA 2011, 1338).
Rz. 757
Die konkreten Umstände bei Abschluss des Arbeitsvertrages können für die Beurteilung der Frage, ob eine überraschende Klausel i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB vorliegt, von Bedeutung sein (BAG v. 9.5.2007, EzA § 305 BGB 2002 Nr. 12). Eine wesentliche Rolle spielt deshalb auch die Ausgestaltung und Aufmachung des Arbeitsvertrages. Eine allgemeine Ausgleichsklausel, nach welcher sämtliche Ansprüche "gleich, nach welchem Rechtsgrund sie entstanden sein mögen, abgegolten und erledigt sind", wird nicht Vertragsinhalt, wenn der Verwender sie in einer Erklärung mit falscher oder missverständlicher Überschrift ohne besonderen Hinweis oder drucktechnischer Hervorhebung einfügt (BAG v. 23.2.2005 – 4 AZR 139/04, NZA 2005, 1193; BAG v. 19.1.2011, NZA 2011, 631).
Rz. 758
Enthält ein Formulararbeitsvertrag neben einer drucktechnisch hervorgehobenen Befristung für die Dauer eines Jahres im nachfolgenden Text ohne drucktechnische Hervorhebung eine weitere Befristung des Arbeitsvertrages zum Ablauf der sechsmonatigen Probezeit, so ist die Probezeitbefristung eine überraschende Klausel, die nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil wird (BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, NJW 2008, 2279). Einem Ausländer dagegen, der nach mündlichem Abschluss des Arbeitsvertrages einen in deutscher Sprache abgeschlossenen und deutschem Recht unterfallenden Formulararbeitsvertrag unterschreibt, ohne auf eine Übersetzung zu bestehen, muss auch eine nicht zur Kenntnis genommene Ausschlussfrist dieses Formulararbeitsvertrages gegen sich gelten lassen. Insofern steht er einem Vertragspartner gleich, der einen Vertrag ungelesen unterschreibt. Eine Ausschlussfrist, die in einem Formularvertrag als eigenständiger Untergliederungspunkt unter einer Regelung, die mit "Vergütung/Zahlungsweise" überschrieben ist, enthalten ist, ist keine überraschende Klausel. Von einem Durchschnittsarbeitnehmer ist zu verlangen, dass er alles, was u...