Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 767
Die Auslegung von AGB auch im Arbeitsrecht richtet sich nach den allgemeinen Regelungen zur Auslegung von AGB. Dies ist von einer Auslegung von Willenserklärungen oder Verträgen zu unterscheiden. Dies geschieht nämlich aus der Perspektive des objektiven Empfängerhorizontes. AGB sind dagegen nach ihrem objektiven Inhalt und typischem Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05; BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 644/05, NZA 2007, 352; BAG v. 20.1.2010, NZA 2010, 445; BAG v. 19.5.2010, NZA 2010, 939; BAG v. 25.8.2010, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49; BAG v. 19.1.2011, NZA 2011, 631; BAG v. 28.2.2019 – 8 AZR 201/18; BAG v. 26.11.2020 – 8 AZR 58/20). Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung von AGB ist in erster Linie der Vertragswortlaut (BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04; BGH v. 4.7.2004, NJW 2004, 2961; BGH v. 17.2.1993, NJW 1993, 1381, 1382). Bei der Auslegung von AGB nach ihrem objektiven Inhalt ist neben dem Wortlaut und dem Regelungszweck auch der systematische Zusammenhang einer Klausel zu berücksichtigen. Die Klausel darf nicht aus einem ihre Beurteilung mitbeeinflussenden Zusammenhang gerissen werden (BAG v. 23.9.2020 – 5 AZR 193/19). Ist der Wortlaut nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann dies nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Bleiben nach Erwägungen dieser Umstände Zweifel, geht dies gem. § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders (BGH v. 19.1.2005 – XII ZR 107/01, NJW 2005, 1183).
Rz. 768
Deswegen sind AGB im Arbeitsrecht einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer verstanden werden. Verbleiben dabei nicht behebbare Zweifel und sind mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar, so ist von der für den Arbeitnehmer günstigeren Auslegung der Klausel auszugehen (BAG v. 26.1.2005, NZA 2005, 655; BAG v. 20.1.2010, NZA 2010, 445; BAG v. 19.1.2011, NZA 2011, 631). Allerdings ist der Standpunkt eines durchschnittlichen AN entscheidend: Wird in einem vom AG vorformulierten Arbeitsvertrag in einer Klausel eine Probezeit und in einer anderen Klausel eine Kündigungsfrist festgelegt, ohne dass unmissverständlich deutlich wird, dass diese ausdrücklich genannte Frist erst nach dem Ende der Probezeit gelten soll, ist dies von einem durchschnittlichen AN regelmäßig dahin zu verstehen, dass der AG schon von Beginn des Arbeitsverhältnisses an nur mit dieser Kündigungsfrist, nicht aber mit der zweiwöchigen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB kündigen kann (BAG v. 23.3.2017 – 6 AZR 705/15).
Rz. 769
Die in engem Zusammenhang mit dem Transparenzgebot stehende Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB beruht auf dem Gedanken, dass es Sache des Verwenders ist, die von ihm vorgegebenen Vertragsbedingungen klar und unmissverständlich zu formulieren. Wann der Zweifel als Voraussetzung für die Unklarheitenregelung einsetzt, ist nach der Rspr. des BAG noch ungewiss (BAG v. 14.12.2005 – 10 AZR 296/05, NZA 2006, 744; BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 255/05, NZA 2006, 1285; BAG v. 24.1.2006, DB 2006, 1621; BAG v. 17.1.2006, NZA 2006, 923). Ist nämlich der Wortlaut eines Formularvertrages nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04). Die Unklarheitenregelung bezieht sich deshalb nur auf das Verständnis der AGB, nicht dagegen auf die Bedeutung unklarer Begleitumstände. Diese sind aus der Sicht eines redlichen und verständigen Erklärungsempfängers zu würdigen (BAG v. 26.9.2007 – 5 AZR 808/06, NZA 2008, 179).
Rz. 770
Bleiben nach Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel, ist also die eine Auslegung ebenso rechtlich vertretbar wie die andere und verdient keine der Auslegungen den klaren Vorzug, führt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zu einer Auslegung zulasten des Arbeitgebers als Verwender des Formulararbeitsvertrages (BAG v. 9.11.2005 – 5 AZR 138/05; BAG v. 17.1.2006, NZA 2006, 923; BAG v. 20.1.2...