Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
a) Überlassung von Aktien
Rz. 482
Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt Aktien oder GmbH-Anteile oder räumt er ihm ein unentgeltliches Bezugsrecht für junge Aktien ein, so führt dies zu steuerpflichtigem Arbeitslohn (Sachbezug), wenn die Überlassung der Aktien oder GmbH-Anteile bzw. die Einräumung des Bezugsrechts durch das Dienstverhältnis veranlasst sind (BFH v. 7.5.2014, BStBl II 2014, 904; FG Köln v. 29.2.2012, EFG 2013, 683 Nr. 9; FG Münster v. 14.8.2015, EFG 2016, 1083 Nr. 13, BFH v. 7.5.2014 – VI R 73/12). Dies gilt auch für die Überlassung eigener Aktien durch eine AG oder KGaA nach dem 1.1.1984. Steuerpflichtiger Arbeitslohn liegt auch vor, wenn eine inländische Kapitalgesellschaft ihren Arbeitnehmern Aktien ihrer ausländischen Muttergesellschaft überlässt (BFH v. 27.3.1981, BStBl II 1981, 577).
Rz. 483
Die Vermögensbeteiligungen, deren Überlassung nach § 3 Nr. 39 EStG steuerbegünstigt ist, sind in § 3 Nr. 39 S. 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstaben a, b und d bis l und Abs. 2–5 des 5. Vermögensbildungsgesetzes abschließend aufgezählt. Es ist somit nicht mehr jede vom Arbeitgeber gewährte Vermögensbeteiligung begünstigt, sondern nur noch die Beteiligung des Arbeitnehmers am Unternehmen des Arbeitgebers. Dabei gilt als Unternehmen des Arbeitgebers auch ein Unternehmen i.S. des § 18 AktG. Durch diese Begrenzung soll die Bindung des Arbeitnehmers an das Unternehmen des Arbeitgebers verstärkt werden. Aktienoptionen sind keine Vermögensbeteiligungen i.S.d. 5. VermBG.
Inländische und ausländische Investmentanteile können nicht steuerbegünstigt überlassen werden, soweit es sich nicht um Anteile an einem Mitarbeiterbeteiligungs-Sondervermögen i.S.v. § 90l InvG handelt (Ausschluss des Buchstabens c des § 3 Abs. 1 Nr. 1 VermBG). Dies gilt auch dann, wenn das Sondervermögen oder der ausländische Investmentfonds Vermögenswerte des Arbeitgebers beinhaltet.
Die Steuerfreiheit ist auf Vorteile von insgesamt 1.440 EUR im Kalenderjahr beschränkt. Voraussetzung der Steuerfreiheit ist, dass die Möglichkeit der Beteiligung allen Arbeitnehmern offen steht, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots ein Jahr oder länger bei dem Arbeitgeber ununterbrochen beschäftigt sind. Eine Begünstigung einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen wird so vermieden. Die steuerliche Förderung von Vermögensbeteiligungen nach § 3 Nr. 39 EStG findet auf jedes gegenwärtige Dienstverhältnis Anwendung, kann also bei zwei und mehr Dienstverhältnissen für jedes Dienstverhältnis in Anspruch genommen werden.
Die Steuerfreiheit kann beim unterjährigen Arbeitgeberwechsel oder bei parallelen Arbeitsverhältnissen mehrfach in Anspruch genommen werden.
Rz. 484
Für die Ermittlung des geldwerten Vorteils aus dem verbilligten Erwerb von Aktien ist nach der Finanzverwaltung ausschließlich der gemeine Wert zum Zeitpunkt der Überlassung anzusetzen. Der Zuflusszeitpunkt bestimmt sich nach den allgemeinen lohnsteuerlichen Regelungen, d.h. wenn der Arbeitnehmer über die Vermögensbeteiligung wirtschaftlich verfügen kann. Bei Aktien ist dies regelmäßig der Zeitpunkt der Einbuchung der Aktien in das Depot des Arbeitnehmers. Einem solchen Zufluss im vorgenannten Sinne steht nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer aufgrund einer Sperr- bzw. Haltefrist die Aktien für eine bestimmte Zeit nicht veräußern kann. Der Erwerber der Aktien ist rechtlich und wirtschaftlich bereits dann Inhaber der Aktie, wenn sie auf ihn übertragen oder auf seinen Namen im Depot einer Bank hinterlegt wird. Denn eine obligatorische Veräußerungssperre hindert den Erwerber von Aktien nicht, sie zu veräußern. Die Veräußerung ist rechtlich möglich, wenngleich sie auch Sanktionen auslösen kann. Aufgrund des im Aktienrecht geltenden Grundsatzes der freien Übertragbarkeit der Aktie (§ 68 AktG) ist jede Einschränkung, die über eine schuldrechtliche Wirkung hinausgeht, grundsätzlich unwirksam (Senatsurteil in BFHE 223, 98, BStBl II 2009, 282; BFH v. 30.6.2011 – VI R 37/09). Die gilt jedenfalls für Inhaber- und Namensaktien. Hängt hingegen die Übertragung der Namensaktien in ihrer Wirksamkeit von der Zustimmung der Gesellschaft (vinkulierte Namensaktien) nach § 68 Abs. 2 AktG ab, sind die verfügenden Rechtsgeschäfte nur mit Zustimmung der Gesellschaft wirksam. Diese Beschränkung der Verfügungsbefugnis steht dem Eigentum des Arbeitnehmers nicht entgegen. Wird die Zustimmung verweigert, ist die Übertragung unwirksam (Hüffer, AktG, § 68 Rn 16). So lange dem Arbeitnehmer eine Verfügung rechtlich unmöglich ist, sind die Aktien nicht zugeflossen.
Rz. 485
Im BFH-Urt. v. 7.5.2014 (VI R 73/12) BStB II 2014, 904 ändert der BFH seine bisherige Rechtsprechung hinsichtlich des Bewertungszeitpunkts. Maßgebend für die Beurteilung des geldwerten Vorteils seien die Wertverhältnisse bei Abschluss des für beide Seiten verbindlichen Veräußerungsgeschäfts und nicht der Zeitpunkt der Einbuchung der Aktien in das Depot. Denn positive wie negative Wertminderungen zwischen dem schuldrechtlichen Veräuße...