Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 870
Nach § 106 GewO, dem allgemeinen Regelungsstandort für das arbeitgeberseitige Direktionsrecht, kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Des Weiteren hat der Arbeitgeber bei der Ausübung des Ermessens auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Aus der Formulierung, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung näher bestimmen darf, ergibt sich, dass das Weisungsrecht nur in den Grenzen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ausgeübt werden kann. Je weiter diese Vereinbarungen gefasst sind, desto weiter geht auch das Direktionsrecht. Deswegen sind oftmals Klauseln anzutreffen, die es dem Arbeitgeber ermöglichen sollen, Änderungen im Einsatz des Mitarbeiters hinsichtlich der Arbeitsaufgabe, der Arbeitszeit, des Arbeitsortes ohne Vertragsänderung, insb. ohne Änderungskündigung durchzusetzen. Bei solchen Klauseln, solange sie sich auf das Bestimmungsrecht des Arbeitgebers konzentrieren, kommt keine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des Weisungsrechtes oder gar eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers in Betracht (hierzu Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 233 ff.). Eine allgemeine Versetzungsklausel, die der Regelung in § 106 S. 1 GewO nachgebildet ist, stellt deshalb keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar und sie verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, auch wenn keine konkreten Versetzungsgründe genannt sind (BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NJW 2006, 3303). Hiervon zu unterscheiden sind AGB, die die Zuweisung eines anderen Aufgabengebietes zum Gegenstand haben. Hierbei würde sich der Arbeitgeber eine Änderung der vertraglichen Tätigkeit als solche vorbehalten. § 308 Nr. 4 BGB ist auf solche Klauseln nicht anwendbar: § 308 Nr. 4 BGB betrifft nämlich Klauseln, in denen sich der Verwender das Recht vorbehält, die versprochene Leistung zu ändern. Das sind insb. Änderungsvorbehalte, die sich bei unveränderter Arbeitspflicht des Arbeitnehmers auf die Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers beziehen. Ein Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers betrifft nicht die Leistungspflicht des Arbeitgebers, sondern den Umfang der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers. § 308 Nr. 4 BGB ist hierauf nicht anwendbar (BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2007, 238 – 244 = DB 2006, 897 – 900). Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in AGB gem. §§ 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Festzustellen ist dabei, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort festgelegt ist und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (BAG v. 19.1.2011 – 10 AZR 738/09, NZA 2011, 631). Wenn in einem Arbeitsvertrag der Ort der Arbeitsleistung vereinbart ist, so wird der Arbeitsort dennoch nicht vertraglich festgelegt, wenn der Arbeitsvertrag dem Arbeitgeber gleichzeitig gestattet, den Arbeitnehmer auch an anderen Orten einzusetzen. Eine solche Versetzungsklausel verhindert regelmäßig die vertragliche Festlegung des Arbeitsortes (BAG v. 26.9. 2012 – 10 AZR 311/11). Ist im Arbeitsvertrag ein bestimmter Ort angegeben, an dem die Arbeit zu beginnen ist, so muss darin keine vertragliche Festschreibung des Arbeitsortes liegen. Es kann sich auch um die schriftliche Fixierung der erstmaligen Ausübung des Direktionsrechts handeln (BAG v. 28.8. 2013 – 10 AZR 569/12).
Rz. 871
Ist die Erweiterung des Bestimmungsrechtes in einem vom Arbeitgeber aufgestellten Formulararbeitsvertrag zum Zweck der befristeten Erhöhung der Dauer der Arbeitszeit erfolgt, ist zunächst zu klären, ob die Einräumung des Bestimmungsrechtes eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber in einer Art und Weise von der Ermächtigung Gebrauch gemacht hat, die der Billigkeit entspricht (BAG v. 14.8.2007, NZA-RR 2008, 129).
Rz. 872
Eine vorformulierte Klausel, nach welcher ein Arbeitgeber eine andere als die vertraglich vereinbarte Tätigkeit einem Arbeitnehmer "falls erforderlich" und nach "Abstimmung der beiderseitigen Interessen" einseitig zuweisen kann, ist dann eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB, wenn nicht gewährleistet ist, dass die Zuweisung eine mindestens gleichwertige Tätigkeit zum Gegenstand haben muss (BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 424/05, NZA 2007, 145).