Rz. 693

Ist ein Vertragsschluss von einem deutlichen Informationsgefälle oder aber auf einem intellektuellen Gefälle der Vertragspartner zueinander geprägt, so funktioniert der Vertragsschluss nicht. Wer nämlich besser informiert ist, die Bedeutung und die Rechtsfolgen eines Vertrages besser einschätzen und beurteilen kann, hat i.d.R. einen Vorteil. Weiß z.B. ein Arbeitnehmer nicht um die wirtschaftlichen Schwierigkeiten seines zukünftigen Arbeitgebers, verzichtet er darüber hinaus auf den Kündigungsschutz, so liegt der Abschluss eines unangemessenen, die beiderseitigen Interessen der Vertragspartner nicht wahrenden Vertrages nahe. Wer darüber hinaus gar nicht intellektuell die Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsvertrag nachvollziehen kann, ist noch viel schutzbedürftiger. Vor diesem Hintergrund rechtfertigen sich die staatlichen Eingriffe in die Vertragsfreiheit. Es soll zu folgendem praktischen Ergebnis kommen: Der Vertragspartner soll die Chance haben, durch den Vertrag seine Interessen zu wahren (Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 18).

 

Rz. 694

Eine unterschiedlich ausgeprägte wirtschaftliche Macht muss noch nicht zu einer unterschiedlichen oder gar fehlenden Verhandlungsmacht führen. Dies macht aber zugleich deutlich, dass allein ein wirtschaftliches Gefälle zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kein Grund zur Korrektur des Vertragsinhaltes sein kann. Ein wirtschaftliches Gefälle wird vertragsrechtlich erst dann problematisch, wenn es einer Seite nicht mehr möglich ist, vom Vertragsschluss Abstand zu nehmen, wo diese Seite so darauf angewiesen ist, dass jede Vertragsbedingung akzeptiert wird. Der Gesetzgeber kann aus verfassungsrechtlichen Gründen so lange in einen Vertragsschluss und damit die wohlverstandenen Interessen der Vertragsbeteiligten eingreifen, wenn dadurch der Betroffene gehindert werden soll, sich selbst einen größeren Schaden zuzufügen (BVerfG v. 6.3.1982, BVerfGE 60, 123, 132).

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