Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 724
Voraussetzung einer Angemessenheits- und Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB ist grds., dass die Vertragsklausel für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert ist und dem Arbeitnehmer bei Vertragsschluss vom Verwender, regelmäßig also dem Arbeitgeber, gestellt worden ist. Soweit dagegen die Arbeitsvertragsbedingung im Einzelnen zwischen dem Arbeitnehmer und dem Verwender ausgehandelt ist, findet eine Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB nicht statt, § 305 Abs. 1 S. 3 BGB. Eine AGB ist deshalb anzunehmen: Nach § 305 Abs. 1 BGB sind AGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt. Aus dem Inhalt und der äußeren Gestaltung der in einem Vertrag verwendeten Bedingungen kann sich ein vom Verwender zu widerlegender Anschein dafür ergeben, dass sie zur Mehrfachverwendung formuliert worden sind. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der Vertrag zahlreiche formelhafte Klauseln enthält und nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmt ist. (BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05). Vorformuliert sind Vertragsbedingungen nach diesen Grundsätzen immer dann, wenn sie bereits vor Vertragsschluss, wenn auch nur im Gedächtnis des Verwenders, vorgelegen haben und nicht erst beim Abschluss des Vertrages ausgehandelt wurden (BGH v. 13.11.1997 – X ZR 135/95, NJW 1998, 1066; BGH v. 30.9.1987, NJW 1988, 410). Die Einordnung des Arbeitsvertrages als Verbrauchervertrag hat für die Annahme von AGB vor dem Hintergrund des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB Konsequenzen: Eine vom Arbeitgeber vorformulierte Klausel unterliegt auch dann der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB, wenn es sich nicht um eine für eine Vielzahl von Fällen vorgesehene AGB, sondern um eine zur einmaligen Verwendung bestimmte Klausel handelt und der Arbeitnehmer aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte (BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229).
Rz. 725
Hinweis
Im Arbeitsvertragsrecht ist die Verwendung vorformulierter Vertragsklauseln der Regelfall (Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rn 50). Dabei muss der Verwender oder der Arbeitgeber selbst die Vertragsbedingungen nicht vorformuliert haben. Es reicht z.B. aus, wenn ein Vertragsmuster des Arbeitgeberverbandes verwandt wird oder aber der Arbeitsvertrag auf einem Änderungsvertragsmuster beruht (BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40, 44). Selbst wenn der Vertrag zahlreiche Streichungen enthält, kann von dem Vorliegen eines vorformulierten Arbeitsvertrags ausgegangen werden (BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324, 326).
Rz. 726
Für eine Vielzahl von Verträgen erfolgt eine Vorformulierung dann, wenn derjenige, der die Klausel vorformuliert hat, die Absicht hat, diese für mindestens drei Fälle zu benutzen (BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NJW 2005, 3305, 3310; BGH v. 15.4.1998, NJW 1998, 2286). Deshalb kann die einmalige Verwendung eines Musterarbeitsvertrages durch den Arbeitgeber bereits ausreichen, wenn er selbst die wiederholte Benutzung dieses Vertragsmusters nicht plant (Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rn 66). Fehlt es an diesen Voraussetzungen, dann unterliegen vorformulierte Einmalbedingungen in einem Verbrauchervertrag nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB einer eingeschränkten AGB-Kontrolle. Hier wird die Unterscheidung zwischen Individualvereinbarung und AGB praktisch wirksam. Der Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB ist immer bei einer formulierten AGB eröffnet. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Vorformulierung der jeweiligen Vertragsklausel auf ihren Inhalt keinen Einfluss hatte. Eine Einflussmöglichkeit bejaht das BAG nur dann, wenn der Arbeitgeber als Verwender die Klausel ernsthaft zur Disposition stellt und dem Arbeitnehmer damit Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumt (BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NJW 2005, 3305, 3310; BAG v. 1.3.2006, NZA 2006, 746; BAG v. 8.8.2007, NZA 2008, 229). Das setzt voraus, dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt (BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219). Grundsätzlich ist für jede einzelne Klausel festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB gegeben sind oder nicht. Auch ein teilweises Entgegenkommen des Klauselverwenders gegenüber dem Vertragspartner, ohne den Kerngehalt der durch die Geschäftsbedingung getroffenen Regelung ernsthaft zur Disposition zu stellen, stellt kein Aushandeln der gesamten Regelung dar. (LAG Düsseldorf v. 6.9.2016 – 9 Sa 1385/15). Hierfür obliegt dem Arbeitgeber die Beweislast, die Grundsätze der Darlegungslast nach § 138 Abs. 1 ZPO und § 138 Abs. 2 ZPO sind jedoch auch hier zu beachten. Zusammenfassend formuliert ergibt sich aus dieser Rspr., dass es an einer Einflussnahmemöglichkeit nur dann fehlt, wenn gleichzeitig ein Aushandeln i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB nicht vorliegt. Dies wäre anzunehmen, wenn ein Gespräch über eine Klausel wi...