Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
aa) Allgemeines
Rz. 486
Wird dem Arbeitnehmer i.R.d. Dienstverhältnisses für eine bestimmte Zeit eine Option auf den verbilligten Bezug von dem Arbeitgeber gehörenden betrieblichen Wirtschaftsgütern eingeräumt, erfolgt nach Auffassung des BFH ein Zufluss des geldwerten Vorteiles i.d.R. erst zu dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer die Option tatsächlich ausübt (BFH v. 21.3.1975, BStBl II, 690; BFH v. 10.3.1972, BStBl II, 596; BFH v. 20.6.2001, IStR 2001, 688, BMF, 14.9.2006 – IV B 6-S. 1300–367/06; BFH v. 18.9.2012 – VI R 90/10). Bei einem handelbaren Aktienoptionsrecht ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert des Optionsrechtes und einem vom Arbeitnehmer ggf. gezahlten Entgelt als Arbeitslohn zu versteuern. Der Sachbezug in Form des Optionsrechtes ist mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten Endpreis am Abgabeort im Zeitpunkt der Abgabe anzusetzen. Zeitpunkt der Abgabe ist der Tag, an dem der Arbeitnehmer das Optionsrecht erwirbt. Fallen Bestelltag und Liefertag auseinander, sind für die Preisfeststellung die Verhältnisse am Bestelltag (= Kauftag) maßgebend. Auch wenn die Option ein selbstständig handelbares Wirtschaftsgut ist, soll ein Zufluss des geldwerten Vorteils erst mit der Ausübung des Optionsrechts vorliegen (BFH v. 20.11.2008 – VI R 25/05, BStBl II 2009, 382; a.A. noch BFH v. 24.1.2001 – I R 100/98, BStBl II 2001, 509). Erst in diesem Zusammenhang erlangt der Arbeitnehmer die für den Zufluss erforderliche wirtschaftliche Verfügungsmacht. Hat der Arbeitnehmer Verfügungsmacht erlangt und ist er (wirtschaftlicher) Eigentümer der Aktien, stehen i.d.R. weder vertragliche noch gesetzliche Veräußerungsverbote oder Verfügungsbeschränkungen einem Zufluss entgegen.
Rz. 487
Die Höhe des geldwerten Vorteils ist nach dem im Überlassungsangebot bezifferten Preisnachlass zu bemessen. (BFH v. 4.4.2001 – VI R 96/00, BStBl II 2001, 813). Erlangt der Arbeitnehmer in Ausübung seines Optionsrechts eine Kapitalbeteiligung infolge einer Kapitalerhöhung und der damit verbundenen Ausgabe "neuer" Aktien, bemisst sich der geldwerte Vorteil nach dem gemeinen Wert der neuen Aktien (BFH v. 1.9.2016 – VI R 16/15, BStBl II 2017, 149).
Rz. 488
Ist in der Einräumung des Rechtes schon ein Zufluss des geldwerten Vorteils zu sehen, dann stellt die Nichtausübung des Ankaufsrechtes durch den Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt der Nichtausübung Abfluss von Arbeitslohn dar. Kann der Arbeitgeber die überlassenen Aktien unter bestimmten Voraussetzungen später zurück fordern und kommt es tatsächlich zu einer Rückübertragung, so liegt bei Rückgabe der Aktien negativer Arbeitslohn vor. Dieser ist i.H.d. Börsenkurses zum Zeitpunkt der Rückgabe anzusetzen, höchstens jedoch i.H.d. Betrages, der bei Überlassung als Arbeitslohn versteuert worden ist (SenFin Berlin v. 11.12.2006, DB 2006, 2783). Die Optionskosten sind als vergebliche Werbungskosten abziehbar. Für den Abzug ist der maßgebliche Zeitpunkt das Jahr, in dem die Optionsrechte wegen Nichtausübung der Option verfallen (BFH v. 3.5.2007 – VI R 36/05, DB 2007, 1507).
bb) Aktienoptionen
(1) Begriff
Rz. 489
Aktienoptionen sind in den letzten Jahren zunehmend zu einem weiteren und wichtigen Vergütungselement neben zahlreichen anderen Vergütungsformen geworden und haben daher insb. bei Führungskräften und Organmitgliedern eine hohe Bedeutung. Die häufigste Ausprägung hat die klassische Aktienoption der börsennotierten AG an ihre Führungskräfte. Die Aktienoptionen (stock options) räumen dem Inhaber nach Maßgabe der Optionsbedingungen das Recht ein, von der übertragenden Gesellschaft Aktien in einem bestimmten Zeitraum zu einem bestimmten Preis zu erwerben, wenn weitere positive Bedingungen erfüllt oder negative Bedingungen nicht erfüllt sind (BAG v. 16.1.2008 – 7 AZR 887/06). Aktienoptionen sind durch einen eher spekulativen Charakter geprägt und verfolgen als Vergütungsinstrument das Ziel, die Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen zu binden und deren Handeln auf eine Gewinnsteigerung des gewährenden Unternehmens auszurichten.
Rz. 490
Es existieren verschiedene Spielarten, so werden z.B. neben den "echten" Aktienoptionen aus verschiedenen Gründen daneben oder stattdessen virtuelle Aktienoptionen (phantom stocks) oder in einem weiteren Sinne virtuelle Gesellschaftsanteile oder Gewinnsteigerungsanteile (phantom shares) ausgegeben. Dabei handelt es sich um schuldrechtliche Nachbildungen der gesellschaftsrechtlichen Vorbilder (BAG v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07). Eine weitere und praktisch häufige Variante neben der klassischen Gewährung durch den Arbeitgeber ist die Gewährung der Aktienoptionen durch einen Dritten, meist die Konzernmutter, sei es mit inländischem, sei es mit ausländischem Sitz, was verschiedene rechtliche Besonderheiten mit sich bringt. Auch die Einräumung der Optionen durch einen Dritten kann Arbeitslohn sein (BAG v. 16.1.2008 – 7 AZR 887/06; vgl. auch BAG v. 25.8.2022 – 8 AZR 453/21 zur Bestimmung der vertragsgemäßen Leistungen i.S.d § 74b Abs. 2 HGB).
(2) Funktionsweise, Voraussetzungen, Muster
Rz. 491
Die technische Funktionsweise der echten Aktienoptio...