Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 705
Die Rspr. beschränkte den Schutz vor unangemessenen allgemeinen Arbeitsbedingungen nicht auf arbeitsvertragliche Einheitsregelungen, sondern bezog auch Individualvereinbarungen und besonders ausgehandelte Arbeitsverträge in seiner Inhaltskontrolle mit ein (Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 28 ff.). Die hierfür verwendeten Kontrollinstrumente waren unterschiedlich (hierzu Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 164 ff.; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 149 ff.). Die Kontrollintensität entwickelte sich dabei unterschiedlich. So wurde die Inhaltskontrolle zu einer sog. Billigkeitskontrolle. Diese sollte immer dann eingreifen, wenn kein Gleichgewicht der Vertragspartner einen angemessenen Vertragsinhalt gewährleistete, weil entweder die Vertragsparität gestört war oder eine Vertragspartei aus anderen Gründen allein den Inhalt des Vertragsverhältnisses gestalten konnte (BAG v. 21.12.1970 – 3 AZR 510/69, DB 1971, 727). Des Weiteren wurde ein Rückgriff auf allgemeine Auslegungsgrundsätze zu einer Inhaltskontrolle umfunktioniert (BAG v. 18.11.1988, DB 1989, 781; BAG v. 6.9.1990, NJW 1991, 1002; BAG v. 24.3.1988, DB 1989, 182; BAG v. 22.11.1973, DB 1974, 878; BAG v. 12.8.1959, DB 1959, 1257). Z.B. wurden Ausschlussfristen, also Bestimmungen in einem Arbeitsvertrag, die dazu führen konnten, dass bestehende Ansprüche verfallen können, nach § 138 BGB daraufhin kontrolliert, ob sie für beide Parteien inhaltlich ausgewogen sind und Arbeitnehmerrechte nicht einseitig beschneiden. Unter die vom BAG entwickelten Kontrollinstrumente fiel auch die Rechtsfigur der objektiven Umgehung zwingenden Rechts. Hiermit wurden Gratifikations- oder Prämienrückzahlungsklauseln (BAG v. 12.10.1972 – 5 AZR 227/72, DB 1973, 285; BAG v. 27.7.1972, DB 1972, 2114; BAG v. 6.12.1963, DB 1964, 226; BAG v. 10.5.1962, NJW 1962, 1537) oder aber die mit den Wertungen des KSchG unvereinbare auflösende Bedingung in der Wirksamkeit eingeschränkt (BAG v. 13.12.1984 – 2 AZR 294/83, NJW 1985, 1918; BAG v. 9.12.1974, NJW 1975, 1531).
Rz. 706
Dies musste die Gefahr von Systemwidersprüchen und Wertungswidersprüchen begründen. Eine analoge Anwendung des AGBG hätte möglicherweise zu mehr Rechtssicherheit geführt und die Inhaltskontrolle im Arbeitsvertragsrecht auf ein sicheres Fundament gestellt. Allenfalls wurden Vorschriften als allgemeine Rechtsgrundsätze analog angewendet (BAG v. 13.12.1984 – 2 AZR 294/83, NJW 1985, 1918; BAG v. 9.12.1974, NJW 1975, 1531). Bis kurz vor der Schuldrechtsreform gab es noch Entscheidungen, in denen sich die Rspr. gegen die Anwendbarkeit des AGBG auf den Arbeitsvertrag und das Arbeitsrecht aussprach (BAG v. 13.12.2000, DB 2001, 928; BAG v. 27.2.2002, DB 2002, 1027).