Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
(1) Begriff
Rz. 489
Aktienoptionen sind in den letzten Jahren zunehmend zu einem weiteren und wichtigen Vergütungselement neben zahlreichen anderen Vergütungsformen geworden und haben daher insb. bei Führungskräften und Organmitgliedern eine hohe Bedeutung. Die häufigste Ausprägung hat die klassische Aktienoption der börsennotierten AG an ihre Führungskräfte. Die Aktienoptionen (stock options) räumen dem Inhaber nach Maßgabe der Optionsbedingungen das Recht ein, von der übertragenden Gesellschaft Aktien in einem bestimmten Zeitraum zu einem bestimmten Preis zu erwerben, wenn weitere positive Bedingungen erfüllt oder negative Bedingungen nicht erfüllt sind (BAG v. 16.1.2008 – 7 AZR 887/06). Aktienoptionen sind durch einen eher spekulativen Charakter geprägt und verfolgen als Vergütungsinstrument das Ziel, die Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen zu binden und deren Handeln auf eine Gewinnsteigerung des gewährenden Unternehmens auszurichten.
Rz. 490
Es existieren verschiedene Spielarten, so werden z.B. neben den "echten" Aktienoptionen aus verschiedenen Gründen daneben oder stattdessen virtuelle Aktienoptionen (phantom stocks) oder in einem weiteren Sinne virtuelle Gesellschaftsanteile oder Gewinnsteigerungsanteile (phantom shares) ausgegeben. Dabei handelt es sich um schuldrechtliche Nachbildungen der gesellschaftsrechtlichen Vorbilder (BAG v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07). Eine weitere und praktisch häufige Variante neben der klassischen Gewährung durch den Arbeitgeber ist die Gewährung der Aktienoptionen durch einen Dritten, meist die Konzernmutter, sei es mit inländischem, sei es mit ausländischem Sitz, was verschiedene rechtliche Besonderheiten mit sich bringt. Auch die Einräumung der Optionen durch einen Dritten kann Arbeitslohn sein (BAG v. 16.1.2008 – 7 AZR 887/06; vgl. auch BAG v. 25.8.2022 – 8 AZR 453/21 zur Bestimmung der vertragsgemäßen Leistungen i.S.d § 74b Abs. 2 HGB).
(2) Funktionsweise, Voraussetzungen, Muster
Rz. 491
Die technische Funktionsweise der echten Aktienoptionen sieht wie folgt aus:
Rz. 492
In § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG hat der Gesetzgeber festgelegt, dass in Beschlüssen der Hauptversammlung zur bedingten Kapitalerhöhung zur Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung (§ 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG) neben der Aufteilung der Bezugsrechte auf Mitglieder der Geschäftsführung und Arbeitnehmer die Erfolgsziele, die Erwerbs- und Ausübungszeiträume und die Wartezeit für die erstmalige Ausübung (mindestens 4 Jahre für solche Beschlüsse von Hauptversammlungen, die nach dem 31.7.2009 gefasst wurden; zuvor: zwei Jahre) festgestellt werden müssen. Die Wartezeit soll gewährleisten, dass Aktienoptionsprogramme auf langfristige Anreizwirkung ausgelegt werden (Koch, AktG § 193 Rn 9b m.w.N.). Damit sind die Rahmenbedingungen in technisch-funktionaler Hinsicht vorgegeben. Bei den Erfolgszielen kann entweder an die unmittelbare Kursentwicklung angeknüpft werden oder an andere Ziele wie z.B. die Performance eines allgemeinen Index wie des DAX oder eines speziellen Indexes.
Rz. 493
Der arbeitsrechtlichen Gewährung der Aktienoptionen geht rechtlich die Schaffung der Optionsrechte auf gesellschaftsrechtlicher Basis voraus. Durch einen Beschluss der Hauptversammlung der AG kann eine bedingte Kapitalerhöhung beschlossen werden, § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Der Beschluss enthält dann auch die weiteren Voraussetzungen, Regelungen zur Wartezeit usw. Einen Rechtsanspruch erwerben die später begünstigten Arbeitnehmer oder Organmitglieder durch diesen Beschluss noch nicht (Küttner/Röller, Personalbuch, Aktienoptionen Rn 2). Als Alternative kommt der Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG in Betracht.
Rz. 494
Die Umsetzung in ein arbeitsrechtliches Instrument erfolgt durch einen Aktienoptionsplan. Dieser Plan kann vom Arbeitgeber oder der Gesellschaft, die anstelle des Arbeitgebers die Optionen gewährt, einseitig als der AGB-Kontrolle unterfallendes Regelwerk erstellt werden. Bei ausländischen Gesellschaften gilt die AGB-Kontrolle dann nicht für dieses Regelwerk, sondern nur für die inländischen Vertragsabreden, die damit in Zusammenhang stehen.
Rz. 495
Der Aktienoptionsplan kann theoretisch auch als (Haus-)Tarifvertrag oder, was in der Praxis häufiger vorkommt, als mitbestimmte Betriebsvereinbarung oder Richtlinie mit dem Sprecherausschuss vereinbart werden. Dies hat den Vorteil, dass bei den Betriebsvereinbarungen keine AGB-Kontrolle der Regelungen stattfindet (§ 310 Abs. 4 BGB).
Rz. 496
Der Aktienoptionsplan bildet die Rechtsgrundlage im Verhältnis zu den Begünstigten. Der Plan konkretisiert zudem die Bedingungen für die Gewährung, die Wartefristen, die Zuteilung durch die Optionsverträge, Regelungen zu Haltefristen sowie Verfallregelungen und Ausübungszeiträume.
Rz. 497
Dem Aktienoptionsplan folgt als Erfüllungsgeschäft der Optionsvertrag, mit dem der Arbeitgeber oder die Konzernmuttergesellschaft oder die sonst gewährende Gesellschaft die Optionsrechte auf den Arbeitnehmer oder das Organmitglied überträgt (Küttner/Röller,...