Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 862
Die Frage, inwieweit Bezugnahmen auf den BAT durch nicht normativ tarifgebundene Arbeitgeber nach Ablösung des BAT und Ersetzung durch den TVöD sich auch auf diesen zu beziehen, ist noch nicht letztgültig beantwortet (hierzu Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 208 ff.).
Rz. 863
Sollte sich eine Bezugnahmeklausel dem Wortlaut nach auf die den BAT ersetzenden Tarifverträge beziehen, ist ebenfalls von einer Bezugnahme auf den TVöD auszugehen. Nicht mehr so klar ist der Fall, wo nur der BAT in Bezug genommen wurde oder zusätzlich allein diesen abändernde oder ergänzende Tarifverträge. Bei einer Bezugnahme auf einen konkreten Tarifvertrag ist aber eine Umdeutung der Bezugnahme auf einen anderen Tarifvertrag nach der Rspr. des BAG nicht möglich, sofern nicht weitere Umstände eine solche Annahme rechtfertigen können. Andererseits wird bezweifelt, dass der Übergang vom BAT zum TVöD einen Tarifwechsel darstellt (Fieberg, NZA 2005, 1226 ff.; Werthebach, NZA 2005, 1224 ff.).
Rz. 864
Hinweis
Der Wortlaut der Bezugnahmeklausel ist entscheidend.
Rz. 865
Danach kommt es zunächst bei einem Verweis auf den BAT und diesen ergänzende oder ändernde Tarifverträge darauf an, ob der TVöD ein dem BAT ergänzender oder ändernder Tarifvertrag ist. Haben die Parteien des Arbeitsvertrags den BAG dynamisch in Bezug genommen, ohne auf ersetzende TV zu verweisen, ist durch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst nachträglich eine Vertragslücke entstanden, die regelmäßig im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist. Der TVöD ist an die Stelle des BAT getreten, sodass von einem ersetzenden Tarifvertrag auszugehen ist. Deswegen kann beim Übergang vom BAT zum TVöD nicht von einer bloßen Fortschreibung des bislang geltenden Tarifwerkes ausgegangen werden, sondern es findet ein Wechsel zu einem anderen Tarifsystem statt, die sich in der Schaffung neuer Tarifgruppen, der Einführung eines Leistungsprinzips oder der Flexibilisierung der Arbeitszeiten manifestiert. Nimmt man vor dem Hintergrund der AGB-Kontrolle die Rspr. des BAG hinsichtlich der Auslegung von dynamischen Bezugnahmeklauseln hinzu, so ist von Folgendem auszugehen: Das jeweilige Regelungsziel muss sich auf der Grundlage dieser Rspr. für den Vertragspartner mit hinreichender Deutlichkeit ergeben (BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607). Dabei ist der sich aus dem Vertrag ergebende Regelungsplan der Parteien unter Berücksichtigung des mutmaßlichen typisierten Parteiwillens der erste Anhaltspunkt für die ergänzende Vertragsauslegung. Hat ein Arbeitgeber, der Mitglied im Diakonischen Werk ist und damit das Regelungswerk der kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen zur Verfügung steht, gleichwohl den BAT dynamisch in Bezug genommen, ist die infolge der Tarifsukzession zu schließende Vertragslücke durch die Einbeziehung der Folgeregelungen des BAT, also dem TVöD zu schließen (BAG v. 12.12.2012 – 4 AZR 65/11; BAG v. 3.7.2013 – 4 AZR 41/12). Allerdings ist für das BAG immer der konkret zu ermittelnde Parteiwille entscheidend. Werden nämlich in einem in einer katholischen Kirchengemeinde geschlossenen Formulararbeitsvertrag der BAT und der Vergütungstarifvertrag sowie die jeweiligen Änderungen hierzu zu Bestandteilen des Vertrages erklärt, folgt aus dieser Bezugnahme nicht ohne weitere Anhaltspunkte die Geltung des TV ATZ (BAG v. 11.12.2012 – 9 AZR 136/11).
Rz. 866
Sollte man davon ausgehen müssen, dass eine vollständige Ablösung des BAT durch den TVöD nicht nur gewollt ist, sondern auch angenommen werden kann, ist die dann entstandene Lücke in der Bezugnahmeklausel durch eine ergänzende Vertragsauslegung unter Berücksichtigung auf den hypothetischen Willen der Arbeitsvertragsparteien zu schließen. Es ist dabei zu fragen, wie die Parteien vom Standpunkt ihrer entgegengesetzten Interessen aus den offengebliebenen Punkt billigerweise geregelt hätten, wenn sie an eine Regelungsbedürftigkeit gedacht hätten. Konkreter formuliert: Was hätten die Parteien vereinbart, hätten sie den Wechsel vom BAT auf den TVöD vorausgesehen. Hierbei ist auch der Zweck der Bezugnahme herauszuarbeiten. Der Verweis auf den BAT dient der weitgehenden Orientierung an den Arbeitsbedingungen des öffentlichen Dienstes. Wenn aber die Gleichstellung der nicht normativ durch den Tarifvertrag berechtigten Arbeitnehmer als maßgebliche Auslegungsmaxime anzuerkennen ist, dann muss auch der Gleichstellungswille der eigenen Belegschaft ggü. vergleichbaren Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst als Auslegungsmöglichkeit gesehen werden. Dies würde zugleich bedeuten, dass der TVöD von der Bezugnahmeklausel erfasst würde. Die Inbezugnahme des TVöD durch den im Arbeitsvertrag erfolgten Verweis auf den BAT muss sich also als interessengerechte Vorschreibung des Parteiwillens darstellen. Ohne konkrete Anhaltspunkte kann hiervon nicht ausgegangen werden.