Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
aa) Allgemeines
Rz. 827
Ausschlussfristen liegen dann vor, wenn es sich um Fristen handelt, innerhalb derer ein Anspruch oder ein sonstiges Recht geltend gemacht werden muss, ansonsten erlischt es (Bauer, NZA 1987, 440). Ausschlussfristen können in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen vereinbart werden. Darüber hinaus kennt man folgende Begrifflichkeiten zur Bezeichnung von Ausschlussfristen: Verfall-, oder Verwirkungsfristen. Ausschlussfristen sollen der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden dienen. Der Schuldner einer bestimmten Leistung soll sich eben nach Ablauf der Ausschlussfrist darauf verlassen können, dass keine Ansprüche mehr gegen ihn erhoben werden. Die Verjährung dagegen ist als Einrede ausgestaltet und bedeutet, dass der Schuldner sich im Prozess auf sie berufen muss. Dagegen ist bei Vorliegen einer Ausschlussfrist deren Ablauf von Amts wegen zu berücksichtigen. Dabei kann des Weiteren unterschieden werden nach einseitigen Ausschlussfristen zulasten des Arbeitnehmers und zweiseitigen Ausschlussfristen, die für Ansprüche für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen gelten. Weiterhin ist zwischen sog. einstufigen und zweistufigen Ausschlussfristen gerade vor dem Hintergrund der AGB-Kontrolle zu unterscheiden. Erstere führen bereits dann zum Erlöschen eines Rechts, wenn es nicht innerhalb der vereinbarten Frist geltend gemacht wird. Von einer zweistufigen Ausschlussfrist ist dagegen auszugehen, wenn es nach einer erfolglosen Geltendmachung des Anspruches noch der Klageerhebung bedarf, um den Anspruch vor dem Erlöschen zu bewahren.
Vor dem Hintergrund des geänderten § 309 Nr. 13 BGB ist nunmehr für arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen als AGB folgendes zu beachten: Sieht ein Arbeitsvertrag nach dem 30.9.2016 weiterhin die schriftliche Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung einer Ausschlussfrist vor, reicht für die Geltendmachung durch den AN nunmehr die Textform, also z.B. eine Geltendmachung per Email. Der AG muss bei einer solchen Klausel seine Ansprüche schriftlich geltend machen, denn er kann sich nicht auf die Unwirksamkeit der AGB berufen. Fordert damit eine vorformulierte Ausschlussfrist immer noch die Schriftform, so ist sie nach § 306 BGB für den AN unwirksam. Für den AG bedeutet dies: Der AN muss seine Ansprüche aufgrund der aus § 309 Nr. 13 BGB folgenden Unwirksamkeit der Ausschlussfrist nicht innerhalb der Ausschlussfrist geltend machen. Für ihn gilt die Grenze der Verjährung. Der AG hat die Ausschlussfrist aber zu beachten. Deswegen sollten die Ausschlussfristen an die geänderte Rechtslage angepasst werden.
Ausschlussfristen, die in Tarifverträgen enthalten sind, sind einer AGB-Kontrolle nicht zugänglich, § 310 Abs. 4 BGB. In Tarifverträgen darf bei Ausschlussfristen weiterhin die Schriftform verlangt werden.
bb) Wirksamkeitsvoraussetzungen vorformulierter einseitiger Ausschlussfristen
Rz. 828
Einseitige Ausschlussfristen in AGB, die nur die Ansprüche des Arbeitnehmers erfassen, sind nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam (BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324, 326; Krause, RdA 2004, 36, 47; Reinecke, BB 2005, 378, 381; Thüsing/Leder, BB 2005, 1563, 1564). Hier kommt es nicht mehr zu einer ausgewogenen Vertragsgestaltung, denn derartige Klauseln erschweren dem Arbeitnehmer allein die Anspruchsdurchsetzung und des Weiteren trifft die Fristversäumnis und der damit eintretende Anspruchsverlust nur ihn. Wenngleich die Rspr. einseitige Ausschlussfristen in Tarifverträgen für zulässig erachtet, (BAG v. 4.12.1997 2 AZR 809/96, BB 1998, 588, 589; BAG v. 12.10.1989, NJW 1990, 468, 471) so ist der Prüfungsmaßstab vor dem Hintergrund der AGB-Kontrolle ein anderer. Die Ungleichbehandlung ist allenfalls vor dem Hintergrund eines sachlichen Grundes zu rechtfertigen, sie bedeutet aber noch keine angemessene Behandlung des Arbeitnehmers, vielmehr ist von einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers i.S.d. § 307 BGB auszugehen (Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 158). Der Arbeitgeber versucht damit, sein eigenes Interesse, an einer raschen Klärung offener Ansprüche ohne angemessenen Ausgleich durchzusetzen (BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338).
cc) Wirksamkeitsvoraussetzungen vorformulierter zweistufiger Ausschlussfristen
Rz. 829
Die Diskussion um die Wirksamkeit von zweistufigen Ausschlussfristen wurde vornehmlich anhand des Klauselverbotes des § 309 Nr. 13 BGB geführt (Gotthard, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn 288 f.; Thüsing/Leder, BB 2005, 1563, 1564 f.; Hönn, ZfA 2003, 325, 340 f.; Hümmerich, NZA 2003, 753, 755; Lakies, NZA 2004, 569, 575; Reinecke, BB 2005, 378, 382; Singer, RdA 2003, 194, 201). Das BAG hingegen hat bei der Prüfung der Angemessenheit dieser Klauseln auf die angemessene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten verwiesen. Nach Auffassung der Rspr. dienten zweistufige Ausschlussfristen seit Langem der im Arbeitsleben anerkanntermaßen erforderlichen raschen Klärung von Ansprüchen und der Bereinigung offener Streitpunkte (BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NJW 2005, 3305, 3306). Damit sind zweistufige Ausschlussfristen anhand des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB...