Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 77
Weiterhin können Bezugnahmeklauseln sich auf den Wechsel des fachlichen Geltungsbereiches einer Branche erstrecken (sog. große dynamische Bezugnahmeklausel), oder nur innerhalb eines fachlichen Geltungsbereiches fortentwickeln (sog. kleine dynamische Bezugnahmeklausel).
Rz. 78
Muster 17.4: Verweisung auf einen Tarifvertrag bei Branchenwechsel
Muster 17.4: Verweisung auf einen Tarifvertrag bei Branchenwechsel
Auf das Arbeitsverhältnis finden die für den Beschäftigungsbetrieb/das Unternehmen/den Arbeitgeber fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dies sind zurzeit die Tarifverträge der Eisen-, _________________________ und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens. Im Fall eines Branchenwechsels gelten die Regelungen der dann einschlägigen Tarifwerke. Für den Fall, dass ein Firmentarifvertrag abgeschlossen wird, gilt dessen Inhalt.
Rz. 79
Das BAG hat mit Urt. v. 30.8.2000 – 4 AZR 581/99; BAG v. 29.8.2007 – 4 AZR 767/06) klargestellt, dass eine Bezugnahme auf einen bestimmten, klar benannten Tarifvertrag nur dann über ihren Wortlaut hinaus als Bezugnahme auf den jeweils für den Betrieb fachlich geltenden Tarifvertrag ausgelegt werden kann, wenn sich dies aus besonderen Umständen ergibt. Der bloße Umstand, dass es sich um eine Abrede zur Gleichstellung aller Betriebsangehörigen handelt, genügt hierfür nicht. Wird von vornherein ein branchenfremdes Tarifwerk in Bezug genommen, ist eine korrigierende Auslegung der Verweisungsklausel dahin, dass eine Verweisung auf das Tarifwerk gewollt sei, dem der Arbeitgeber jeweils unterliegt, nicht möglich. Eine große dynamische Verweisungsklausel liegt in diesem Fall nicht vor. Der Arbeitgeber kann sich mit einer sog. Tarifwechselklausel vorbehalten, ein anderes Tarifwerk einzuführen (BAG v. 25.10.2000 – 4 AZR 506/99). Der Verweisung auf die beim Arbeitgeber für eine bestimmte Arbeitnehmergruppe "jeweils geltenden" Tarifverträge hat das BAG den Parteiwillen entnommen, es sollten die bei einer anderen Konzerngesellschaft geltenden – schlechteren – Bedingungen eines zwischen dieser und der Arbeitgeberin auf der einen und einer Gewerkschaft auf der anderen Seite abgeschlossenen Tarifvertrages für die Zeit der von einer konzernbezogenen Versetzungsklausel gedeckten "Abstellung" auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden (BAG v. 18.6.1997 – 4 AZR 699/95).
Rz. 80
Wenn nicht die Vergütung der Arbeitnehmer ohnehin eigenständig und ohne Bezug auf einen Tarifvertrag festgelegt worden ist, wird sie allerdings von vertraglichen Vorwegverweisungen auf künftige Tarifverträge nicht ohne Weiteres erfasst. Richtete sie sich etwa bislang nach einem einzelvertraglich einbezogenen Branchen-Gehaltstarifvertrag, führt der Abschluss eines Firmentarifvertrages mit geringerem Gehaltsniveau trotz eines vertraglichen Vorwegeinbezuges nicht automatisch zur Absenkung. Darin läge eine Umgehung von § 2 KSchG. Zwischen tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien, die beide auch an den neuen Firmentarifvertrag gebunden sind, tritt diese Folge freilich ein. Im Verhältnis einander nachfolgender Tarifverträge gilt kein Bestandsschutz. Vielmehr verdrängt der jüngere Tarifvertrag den früheren, der speziellere den allgemeinen. Im Hinblick darauf hat das BAG trotz vertraglicher Verweisung auf einen günstigeren Tarifvertrag nach dessen Ende und nach einem Verbandswechsel des Arbeitgebers die nunmehr geltenden ungünstigeren Tarifverträge als maßgeblich angesehen, wenn auch der Arbeitnehmer an beide Tarifverträge gebunden war/ist (BAG v. 4.9.1996 – 4 AZR 135/95).