Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 817
Kurzarbeit bedeutet i.d.R., dass auf einen vorübergehend gesunkenen Arbeitsbedarf dahin gehend in der Ausgestaltung der individuellen Arbeitszeit reagiert wird, dass dies zu einer Absenkung der Arbeitszeit führt (ErfK/Preis, § 611 BGB Rn 819). Dabei ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zu beachten. Sollte allerdings kein Betriebsrat gewählt sein, kann die Kurzarbeit ohne Rücksicht auf die betriebliche Mitbestimmung eingeführt werden (BAG v. 25.11.1981, BAGE 37, 120). Allein die Mitbestimmung des Betriebsrates führt aber noch nicht zu einer Einführung von Kurzarbeit durch eine entsprechende Änderung der Arbeitsverträge. Hierzu bedarf es einer vertraglichen Vereinbarung oder einer Änderungskündigung (BAG v. 14.2.1991, AP Nr. 4 zu § 615 BGB – Kurzarbeit). Verändert sich die Auftragslage dahin gehend, dass die Kurzarbeit früher als vorgesehen aufgehoben werden kann, unterliegt der Abbau der Kurzarbeit in Rückführung auf die betriebsübliche Arbeitszeit als solcher nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Es wird in einem solchen Fall die vorübergehend festgelegte "Ausnahme-Arbeitszeit" wieder verändert (BAG v. 11.7.1990, AP Nr. 32 zu § 615 BGB – Betriebsrisiko; BAG v. 21.11.1978, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 – Arbeitszeit). Eine tarifvertragliche Bestimmung und damit auch eine arbeitsvertragliche Regelung, wonach der Arbeitgeber einseitig Kurzarbeit einführen kann, ohne Regelungen über Voraussetzungen, Umfang und Höchstdauer dieser Maßnahme zu treffen, verstößt gegen zwingendes KSchR und ist deshalb unwirksam (BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 442/03, NZA 2005, 475; BAG v. 18.10.1994, AP Nr. 11 zu § 615 BGB – Kurzarbeit; BAG v. 27.1.1994, AP Nr. 1 zu § 15 BAT-O). Dies kann allerdings dadurch abgemildert werden, dass die Voraussetzungen zumindest annähernd in der tarifvertraglichen oder aber arbeitsvertraglichen Klausel geregelt werden. Dies könnte z.B. dadurch ausgedrückt werden, dass eine Anordnung von Kurzarbeit immer zulässig sein soll, soweit der Arbeitnehmer im Fall der Anordnung von Kurzarbeit berechtigt wäre, Leistungen nach den §§ 169 ff. SGB III zu beziehen (Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 139). Nach der Rspr. können die Betriebspartner durch eine Betriebsvereinbarung den Arbeitgeber dazu ermächtigen, die Anordnung von Kurzarbeit vorzunehmen, selbst wenn der Arbeitsvertrag keinen entsprechenden Vorbehalt enthalten sollte (BAG v. 3.6.2003, AP BetrVG 1972 § 77 Tarifvorbehalt Nr. 19).
Rz. 818
Bei einer wirksamen Einführung von Kurzarbeit ist der Arbeitgeber zur Lohnzahlung für die ausfallende Arbeitszeit auf der Grundlage des § 615 BGB nicht verpflichtet (BAG v. 15.12.1961, BAGE 12, 135; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn 823). Bei unzulässig angeordneter Kurzarbeit durch den Arbeitgeber bleibt dagegen ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs bestehen.