Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
Rz. 290
Der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zu erbringen hat, ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag, den näheren Umständen oder der Natur des Arbeitsverhältnisses. Wurde im Arbeitsvertrag keine ausdrückliche Abrede getroffen, ist der Arbeitsort als Erfüllungsort gem. § 269 BGB durch Auslegung zu ermitteln (BAG v. 29.10.1997 – 5 AZR 573/96). Wird der Arbeitsort, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu erbringen hat, im Arbeitsvertrag abschließend und ohne Vorbehalt einer Versetzung genannt, ist die Zuweisung von Tätigkeiten an einem gänzlich anderen Ort nicht mehr vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leistung von Diensten an einem anderen Ort kann sich in diesem Fall nur aus einer einvernehmlichen Änderung des Arbeitsvertrages oder infolge einer wirksamen Änderungskündigung ergeben. Die Frage, ob die Vertragsparteien einen ganz bestimmten Tätigkeitsort festgelegt haben, spielt auch bei der Sozialauswahl des § 1 KSchG im Fall einer betriebsbedingten Kündigung eine maßgebliche Rolle (BAG v. 18.10.2006 – 2 AZR 676/05, NZA 2007, 798 – 801).
Rz. 291
Ist dagegen arbeitsvertraglich vorgesehen, dass der Arbeitnehmer bereits aufgrund der Art seiner Tätigkeit an unterschiedlichen wechselnden Arbeitsorten eingesetzt werden soll (z.B. Montagearbeiter, Arbeitnehmer in Reinigungsunternehmen), kann der Arbeitgeber den konkreten Einsatzort jederzeit kraft seines Direktionsrechtes nach § 106 GewO i.V.m. § 315 BGB bestimmen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 17.12.2014 – 4 Sa 404/14). Soweit sich nicht bereits aus den vereinbarten Aufgaben eine Tätigkeit im Ausland ableiten lässt, wird das Direktionsrecht bei Arbeitnehmern ohne feststehenden Arbeitsplatz nicht die Zuweisung eines Arbeitsplatzes im Ausland umfassen.
Rz. 292
Bereits in der Vergangenheit gab es einen – wenngleich eher verhaltenen – Trend zu vermehrten Home-Office-Regelungen, bei denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarten, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit auch von zu Hause aus erbringen kann. Unter Pandemie-Bedingungen hat sich dieser Trend bekanntlich drastisch verstärkt. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf die Tätigkeit von zu Hause aus gibt es grundsätzlich ohne eine Vereinbarung nicht, ebenso wenig ein Recht des Arbeitgebers, die Tätigkeit von zu Hause an anzuordnen. Für die Tätigkeit an dem als Home-Office bezeichneten Arbeitsort sollten konkrete Regelungen vereinbart werden, insbesondere im Hinblick auf Arbeitszeiten, Kosten der Arbeitsmittel und Zugangsrechten. Besteht keine Vereinbarung zu den Arbeitsmitteln steht dem Arbeitnehmer bei Anschaffungen ein Aufwendungsersatzanspruch gem. § 670 BGB zu (vgl. BAG v. 14.10.03 – 9 AZR 657/02). Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Einrichtung eines Home-Office im überwiegenden Interesse des Arbeitnehmers liegt. Eine entsprechende Anwendung des § 670 BGB kommt dann wohl nicht in Betracht (vgl. BAG v. 12.4.11 – 9 AZR 14/10). Häufig werden Kostenpauschalen vereinbart.
Auch für die Tätigkeit im Homeoffice gilt der gesetzlich geregelte Arbeitsschutz nach den § 618 Abs. 1 BGB sowie aus §§ 3 ff. ArbSchG. Gem. § 5 ArbSchG ist der Arbeitgeber zur Ermittlung erforderlicher Maßnahmen verpflichtet und hat im Home-Office des Arbeitnehmers eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen (Isenhardt, DB 16, 1499; Bissels/Meyer-Michaelis, DB 15, 2331). Auch die am 3.12.2016 in Kraft getreten ArbStättV und das ArbSichG finden Anwendung.
Soweit der Home-Office-Arbeitsplatz nicht arbeitsvertraglich als ausschließlicher Arbeitsplatz vereinbart ist, kann der Arbeitsort vom Arbeitgeber durch Ausübung des Direktionsrechts nach § 106 GewO beendet werden. Einer Änderungskündigung nach §§ 2, 1 Abs. 2 KSchG bedarf es nicht. Der Entzug des Home-Office stellt eine mitbestimmungspflichtige Versetzung nach §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 BetrVG dar (vgl. LAG Düsseldorf v. 10.9.14 – 12 Sa 505/14).
Eine Vereinbarung in allgemeinen Arbeitsvertragsbedingungen, welche die Beendigung einer vereinbarten Home-Office-Tätigkeit für den Arbeitgeber voraussetzungslos ermöglicht und nicht erkennen lässt, dass dabei auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, ist wegen Abweichung von dem gesetzlichen Leitbild des § 106 S. 1 GewO gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (vgl. LAG Düsseldorf v.10.9.2014 – 12 Sa 505/14).
Bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist das Arbeitsgericht am Wohnort des Arbeitnehmers örtlich zuständig (vgl. Hess. LAG v. 26.8.2008 – 4 Ta 308/08; LAG Hamm v. 8.3.2011 – 1 SHa 5/11).
Siehe zum Homeoffice im Übrigen auch § 81 Rdn 2 ff.
Rz. 293
Bei Mitarbeitern, die ihre Tätigkeiten von einem bestimmten Arbeitsort aus vorzunehmen haben, kann der Arbeitgeber sich durch eine Versetzungsklausel das Recht vorbehalten, den Arbeitnehmer an einem anderen Ort einzusetzen. Die in der Praxis üblichen Versetzungsklauseln umfassen zumeist neben dem Recht zur Änderung des Arbeitsortes auch das Recht zur Änderung der Tätigkeit. Derartige Versetzungsklauseln ...