Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
aa) Allgemeines
Rz. 936
Der Arbeitnehmer kann verpflichtet sein, eine bestimmte Nebentätigkeit zu unterlassen. Aus der verfassungsrechtlichen Garantie der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ist der Arbeitnehmer aber grds. berechtigt, also auch ohne besondere Erlaubnis durch den Arbeitgeber, eine andere Tätigkeit als die im Arbeitsverhältnis geschuldete aufzunehmen. Eine Nebentätigkeit ist dann diejenige Tätigkeit, in der ein Arbeitnehmer seine Arbeitskraft außerhalb seines Hauptarbeitsverhältnisses einsetzt. Bei nicht beruflichen Tätigkeiten außerhalb des Arbeitsverhältnisses ist Art. 2 Abs. 1 GG einschlägig. Sollte dagegen eine Nebentätigkeit sich nachteilig auf die Erbringung der Arbeitsleistung im Hauptarbeitsverhältnis auswirken oder gar zu einer Verletzung dieser Arbeitspflicht führen, wäre eine solche Nebentätigkeit unzulässig.
Rz. 937
Die Höchstgrenzen der Arbeitszeit für den Arbeitnehmer sowohl im Hauptarbeitsverhältnis als auch im Nebenarbeitsverhältnis ergeben sich aus dem ArbZG. Darüber hinaus darf nach § 8 BUrlG der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit auch in Form von Nebentätigkeiten leisten. Des Weiteren sind die Arbeitsvertragsparteien aber befugt, das Recht des Arbeitnehmers zur Aufnahme einer Nebentätigkeit einzelvertraglich zu begrenzen oder auszuschließen. Dies setzt allerdings voraus, dass diese Vereinbarung sich in den Grenzen des Art. 12 Abs. 1 GG und der damit geschützten Berufsfreiheit des Arbeitnehmers hält. Des Weiteren können Nebentätigkeitsverbote durch Tarifverträge auf der Grundlage des Art. 9 Abs. 3 GG vereinbart werden, wobei allerdings die Regelungsbefugnis der Betriebspartner in einer Betriebsvereinbarung für ein Nebentätigkeitsverbot umstritten ist (zust. Preis/Rolfs, Der Arbeitsvertrag, II N 10 Rn 6; MünchArbR/Blomeyer, § 55 Rn 33, auch zu den a.A.).
bb) Grenzen der Nebentätigkeitsregelungen
Rz. 938
Der Arbeitgeber darf nur dann ein Nebentätigkeitsverbot vereinbaren, wenn die Begrenzung der Nebentätigkeit für den Arbeitnehmer und der damit verbundene grundrechtliche Eingriff zum einen auf das bezweckte Ziel beschränkt wird, zum anderen muss es auch zur Erreichung des Zweckes verhältnismäßig sein. Daraus wird in der Praxis gefolgert, dass ein vertragliches Nebentätigkeitsverbot nur dann wirksam sei, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse am Abschluss eines solchen Verbotes hat (BAG v. 26.8.1976, AP Nr. 68 zu § 626 BGB). Dabei ist aber dem Arbeitgeber kein Ermessensspielraum bei der Erteilung oder Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung eingeräumt, vielmehr besteht ein Rechtsanspruch auf Genehmigung, wenn nicht ein Versagungsgrund wegen einer zu befürchtenden Beeinträchtigung betrieblicher oder dienstlicher Interessen vorliegt (BAG v. 28.2.2002 – 6 AZR 33/01, ZTR 2002, 429). Umgekehrt ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Nebentätigkeit anzuzeigen, soweit dadurch dessen Interessen bedroht sein können (BAG v. 18.1.1996, AP Nr. 25 zu § 242 BGB – Auskunftspflicht). Eine rechtfertigungslose Untersagung einer Nebentätigkeit aufgrund einer vertraglichen Klausel ist ebenso wie ein generelles Verbot mit der nach Art. 12 GG gewährleisteten Berufsfreiheit des Arbeitnehmers nicht zu vereinbaren. Die Untersagung kann deshalb grundsätzlich nur wirksam sein, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat. Das Interesse des Arbeitnehmers an der Ausübung der Nebentätigkeit und das Interesse des Arbeitgebers an der Unterlassung der Nebentätigkeit sind gegeneinander abzuwägen und soweit wie möglich zum Ausgleich zu bringen (BAG v. 19.12.2019 – 6 AZR 23/19).
Rz. 939
Bedarf eine Nebentätigkeit oder Nebenbeschäftigung der Zustimmung des Arbeitgebers, so ist dem Arbeitnehmer nicht jede Nebentätigkeit verboten, sondern er hat lediglich zuvor die Zustimmung des Arbeitgebers einzuholen. Ein solcher Erlaubnisvorbehalt berechtigt den Arbeitgeber allerdings nicht, eine Nebentätigkeit willkürlich zu verhindern. Wenn nämlich keine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers zu erwarten ist, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung oder aber der Zustimmung des Arbeitgebers (BAG v. 11.12.2001, AP Nr. 8 zu § 611 BGB – Nebentätigkeit; BAG v. 3.12.1970, AP Nr. 60 zu § 626 BGB). Auf diese Weise kann der Arbeitgeber vor Aufnahme der Nebentätigkeit überprüfen, ob die Interessen des Betriebes oder seines Unternehmens beeinträchtigt werden. Dies ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar (BAG v. 24.6.1999, AP Nr. 5 zu § 611 BGB – Nebentätigkeit). Eine tarifliche oder einzelvertragliche Regelung, die einer Genehmigungspflicht der Nebentätigkeit vorsieht, ist dann vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 GG so auszulegen, dass dem Arbeitgeber für solche Nebentätigkeiten, bei deren Ausübung eine Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers nicht zu erwarten ist, dem Arbeitnehmer zu erteilen hat. Dem Arbeitnehmer steht also gegen den Arbeitgeber ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zu (BAG v. 26.8.1976, AP Nr. 68 zu § 626 BGB; LAG Hamm v. 18.6.1998, ZTR 1998,...