Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
aa) Allgemeines
Rz. 966
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, versehentlich vom Arbeitgeber erhaltene Vergütungsbestandteile, auf die er eigentlich keinen Anspruch hat, zurückzuzahlen. Dieser Rückzahlungsanspruch ergibt sich für den Arbeitgeber aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt 1 BGB. Der Arbeitgeber hat dabei die Voraussetzungen der Rückforderung darzulegen. Weiß allerdings der Arbeitgeber um das Fehlen einer Rechtspflicht, ist an § 814 BGB zu denken. Ein Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers entfällt allerdings, wenn die Voraussetzungen des § 818 Abs. 3 BGB vorliegen, nämlich der Arbeitnehmer als Empfänger nicht mehr bereichert ist. Eine solche Entreicherung ist anzunehmen, wenn das Erlangte ersatzlos weggefallen ist und kein Überschuss zwischen dem vorhandenen Vermögen und dem Vermögen mehr besteht, das ohne den bereichernden Vorgang vorhanden wäre. Von dem Fortbestehen einer Bereicherung ist dann auszugehen, wenn der Bereicherungsschuldner, hier der Arbeitnehmer, mit der Ausgabe des Erlangten anderweitige Aufwendungen erspart hat. Ein Wegfall der Bereicherung ist dagegen anzunehmen, wenn der Empfänger die rechtsgrundlose Leistung ersatzlos für Luxusausgaben verwendet hat, die er sonst nicht gemacht hätte. Diese Regeln gelten auch bei überzahlten Entgelt (BAG v. 18.1.1995, AP Nr. 13 zu § 812 BGB; BAG v. 18.9.1986, AP Nr. 5 zu § 812 BGB; LAG Hamm v. 3.12.1999, NZA-RR 2000, 181; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 354).
bb) Einwand der Entreicherung
Rz. 967
Der Arbeitnehmer hat im Einzelnen die Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergibt, dass die Bereicherung weggefallen ist. Dies gilt insb. für den Fall, dass der Arbeitgeber die Rückzahlung zu viel gezahlter Arbeitsvergütung begehrt. Dem Arbeitnehmer soll nach der Rspr. die Erleichterung des Anscheinsbeweises für den Entreicherungseinwand zugutekommen (BAG v. 9.2.2005 – 5 AZR 175/04, NZA 2005, 814; BAG v. 25.4.2001, DB 2001, 1833; BAG v. 23.5.2001, AP Nr. 25 zu § 812 BGB; BAG v. 12.1.1994, AP Nr. 3 zu § 818 BGB; BAG v. 30.4.1997, NZA 1998, 199, 201). Bei kleineren und mittleren Einkommen und einer gleichbleibend geringen Überzahlung des laufenden Arbeitsentgeltes soll die Möglichkeit des Beweises des ersten Anscheines für den Wegfall der Bereicherung bestehen (BAG v. 18.1.1995, AP Nr. 13 zu § 812 BGB). Dies bedeutet konkret, dass der Arbeitnehmer nicht darlegen muss, um welche Überzahlungen er nicht mehr bereichert ist. Diese Erleichterung der Darlegungs- und Beweislast soll für den Arbeitnehmer nur dann in Betracht kommen, wenn erfahrungsgemäß und typischerweise anzunehmen ist, dass die Zuvielzahlung des Arbeitgebers für den laufenden Lebensunterhalt, insb. für konsumtive Ausgaben verbraucht wurde. Dies setzt voraus, dass es sich um Überzahlungen in relativ geringer Höhe handelt. Außerdem muss dabei die Lebenssituation des Arbeitnehmers, insb. seine wirtschaftliche Lage so sein, dass die Verwendung der Überzahlung für die laufende Lebensführung nahe liegt. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer mit geringem oder mittlerem Einkommen über keine weiteren Einkünfte verfügt, sodass die Nettobezüge aus seinem Arbeitsverhältnis verwendet werden müssen, um den laufenden Lebensunterhalt für sich und die weiteren unterhaltsberechtigten Personen zu bestreiten (BAG v. 9.2.2005, NZA 2005, 815; BAG v. 23.5.2001, AP Nr. 25 zu § 812 BGB; BAG v. 18.1.1995, BAGE 79, 115).
Rz. 968
Nach der Rspr. sind Überzahlungen des Arbeitgebers, die nicht mehr als 10 % der dem Arbeitnehmer an sich zustehenden Bezüge betragen, als geringfügig anzusehen. Ein Wegfall der Bereicherung wird bei dieser Quote unterstellt (BAG v. 18.9.1986, AP Nr. 5 zu § 812 BGB). Diese Beweiserleichterung gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer zum Kreis der Besserverdienenden gehört. Bei diesen Arbeitnehmern kann regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass höhere Einkünfte ausgegeben werden. Dabei hat das BAG offengelassen, wer lediglich gut verdient und wer ein Besserverdienender ist (BAG v. 12.1.1994, AP Nr. 3 zu § 818; LAG Hamm v. 3.12.1999, AP Nr. 3 zu § 818 BGB). Der Beweis des ersten Anscheines für den Wegfall der Bereicherung ist im Fall einer mehrere Monate betreffenden einmaligen Überzahlung, die das richtige Gehalt um ein Vielfaches übersteigt, regelmäßig nicht anzunehmen (BAG v. 23.5.2001, AP Nr. 25 zu § 812 BGB). Gelingt dem Arbeitgeber die Darlegung und der Nachweis, dass beim Arbeitnehmer noch weitere nennenswerte Einkünfte vorhanden sind, kann sich der Arbeitnehmer nicht mehr auf eine Beweiserleichterung berufen, sondern muss nun seinerseits der ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast vollen Umfanges nachkommen und darstellen, welche anderen Einkünfte vorhanden sind und wie weit der Schluss auf einen typischen Ablauf, den Verbrauch zum Lebensunterhalt, möglich ist. Seiner Darlegungs- und Beweislast genügt der Arbeitnehmer nicht, wenn er zu den nach Art oder Grund plausibel behaupteten anderweitigen Einkünften nicht substantiiert Stellung nimmt (BAG v. 18.1.1995, AP Nr. 13 zu § 812 BGB).
Rz. 969
Wird dagegen in einer kollektiv-r...