Dr. iur. Martin Nebeling, Manfred Ehlers
aa) Allgemeines
Rz. 993
Die Vertragsstrafe ist abzugrenzen von der Schadenspauschalierung, der Verfallklausel, dem Garantievertrag sowie der Betriebsbuße. Die Betriebsbuße dient nicht der Sicherung schuldrechtlicher Ansprüche des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis, sondern bezweckt die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Betrieb. Sie ist deshalb eine Sanktion für einen Verstoß des Arbeitnehmers gegen die normativ geregelte Ordnung des Betriebs.
bb) Das Verbot überraschender Klauseln
Rz. 994
Überraschende Vertragsklauseln werden gem. § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil. Eine Vertragsstrafenregelung kann deshalb missverständlich und damit überraschend sein, weil sie unter einer missverständlichen Überschrift im Vertragstext angeordnet ist. Die durch die Umstände des Vertragsschlusses begründeten Erwartungen müssen auch dem tatsächlichen Vertragsinhalt entsprechen, jedenfalls darf kein deutlicher Widerspruch bestehen. Dabei ist entscheidend vor allem das äußere Erscheinungsbild des Arbeitsvertrages, sodass sich die Aufführung der Vertragsstrafenregelung unter eigener Überschrift oder ihre drucktechnische Hervorhebung empfiehlt (LAG Schleswig-Holstein v. 2.2.2005, NZA-RR 2005, 351).
cc) Zulässigkeit von Vertragsstrafenregelungen
Rz. 995
§ 309 Nr. 6 BGB steht der Vereinbarung von Vertragsstrafen in Formulararbeitsverträgen nicht entgegen. Das BAG hält diese Regelung für nicht anwendbar (BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34; BAG v. 21.4.2005, BB 2005, 2822; BAG v.17.3.2016 – 8 AZR 665/14). Das BAG sieht im Ausschluss der Vollstreckbarkeit der Arbeitsleistung nach § 888 Abs. 3 ZPO eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit i.S.d. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB. Dies muss zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden führen (BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 645/09, BB 2011, 767).
Rz. 996
Zudem ist auch bei jenen Vertragsstrafenabreden, die an die Vertragsauflösung anknüpfen, ein schützenswertes Arbeitgeberinteresse anzuerkennen. Zu denken ist dabei an Vertragsstrafen zur Sicherung der Einhaltung der Kündigungsfristen, etwa an solche Vereinbarungen, die den Nichtantritt der Arbeitsstelle oder das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis sanktionieren. Sie knüpfen mit der Einhaltung der Arbeitspflicht an die arbeitsvertragliche Hauptpflicht an. Vertragsstrafenabreden sind aber auch im Kontext mit der Verletzung einzelner Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis anzutreffen, wie z.B. der versäumten oder verspäteten Einreichung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder Tätigkeitsnachweisen, der Nichtherausgabe von Firmeneigentum, des Verstoßes gegen ein Nebentätigkeits- oder ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot oder der Zuwiderhandlung gegen das Gebot zur Verschwiegenheit über Geschäftsgeheimnisse. Daran hat der Arbeitgeber in der Regel ein berechtigtes Interesse (BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; 733; BAG v. 19.8.2010, BB 2011, 767), wobei dies allerdings nicht generell für Vertragsstrafen bei einer Nebenpflichtverletzung gelten kann. Hier gibt es nämlich oftmals gesetzliche Sanktionsmöglichkeiten wie z.B. § 7 EFZG.
Vertragsstrafen dagegen, die nicht für den Fall der Vertragslösung des Arbeitnehmers versprochen werden, sind bereits vom Wortlaut des § 309 Nr. 6 BGB nicht erfasst (BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89). Auch die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten i.S.d. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB brauchen in diesen Fällen nicht geprüft zu werden. Zu denken ist an Vertragsstrafen für den Fall eines Vertragsverstoßes des Arbeitnehmers oder für die fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber.
dd) Grenzen der Wirksamkeit von Vertragsstrafenregelungen
Rz. 997
Vertragsstrafenvereinbarungen, die die arbeitsvertragswidrige Nichterfüllung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers sanktionieren, benachteiligen diesen nicht generell unangemessen (BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727, 733). Der Arbeitnehmer hat i.d.R. weder ein Interesse daran noch ein Recht, den Arbeitsvertrag zu brechen. Die Abreden zur Verhinderung der vertragswidrigen Auflösung oder des Nichtantrittes der Arbeitsstelle, dienen der Erfüllungssicherung. Dies begründet ein berechtigtes Arbeitgeberinteresse (BAG v. 27.5.1992, EzA § 339 BGB Nr. 8; ArbG Frankfurt am Main v. 20.4.1999, NZA-RR 2000, 82).
Rz. 998
Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB liegt dann vor, wenn die Vertragsstrafenklausel sich von der Erfüllung des Arbeitsvertrages entfernt und vorrangig zur Bereicherung des Arbeitgebers eingesetzt wird (BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 645/09, BB 2011, 767). Dies ist anzunehmen, wenn das sanktionierte Verhalten typischerweise nicht zu einem Schaden oder nur zu einem völlig unerheblichen Schaden des Arbeitgebers führen würde oder dieser im Fall des Schadenseintritts den Schaden und seine Höhe ohne größere Schwierigkeiten nachweisen kann (BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727, 733). Eine vom Arbeitgeber als AGB verwendete Vertragsstrafenregelung ist wegen des Verstoßes gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, unwirksam, wenn sie für jeden Fall der Zuwiderhandlung ...