Rz. 301

Art und Umfang der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit sind im Arbeitsvertrag zumindest grob umrissen festzulegen. Fehlt eine derartige Festlegung, ist der Arbeitsvertrag mangels Bestimmbarkeit des Leistungsgegenstandes unwirksam.

 

Rz. 302

Die somit bei Abschluss des Arbeitsvertrages erforderliche Festlegung der vom Arbeitnehmer auszuführenden Tätigkeiten kann von einer lediglich generalisierenden Beschreibung der Tätigkeiten (z.B. als Hilfsarbeiter) bis hin zur präzisen detaillierten Stellenbeschreibung reichen. Soweit eine konkrete Regelung fehlt, ist der Arbeitsvertrag nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte sowie einer etwa bestehenden betrieblichen Übung auszulegen.

 

Rz. 303

Ist die geschuldete Tätigkeit im Arbeitsvertrag präzise beschrieben, schuldet der Arbeitnehmer nur diese. Je allgemeiner die vertragliche Festschreibung der auszuübenden Tätigkeit ist, desto größer wird der Zuweisungsspielraum für den Arbeitgeber. Wird etwa die auszuübende Tätigkeit im Arbeitsvertrag nur fachlich beschrieben (z.B. als Maurer, kfm. Angestellter, Verkäufer usw.), kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer sämtliche Arbeiten zuweisen, die sich innerhalb des vereinbarten Berufsbildes halten. Bei einer noch weiter gehenden, lediglich generalisierenden Umschreibung der Tätigkeiten (z.B. als Hilfsarbeiter) muss der Arbeitnehmer dagegen jede Arbeit verrichten, die dem billigen Ermessen entspricht (§ 315 BGB) und bei Vertragsabschluss voraussehbar war (BAG v. 27.3.1980 – 2 AZR 506/78, AP Nr. 26 zu § 611 BGB "Direktionsrecht" = BB 1980, 1267 = DB 1980, 1603). Jede über die vertragliche Grenze hinaus erfolgende Arbeitszuweisung kann nicht im Wege des Direktionsrechtes erfolgen. Will der Arbeitgeber Tätigkeiten zuweisen, die über die vertraglich vereinbarten Aufgaben hinausgehen, kann er dies nur einvernehmlich mit dem Arbeitnehmer oder im Wege einer Änderungskündigung durchsetzen.

 

Rz. 304

In der Praxis sehen daher Arbeitsverträge zumeist besondere Regelungen vor, die das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Art, Umfang und Ort der Arbeitsleistung erweitern. Derartige Änderungsvorbehaltsklauseln unterliegen einer Kontrolle nach §§ 307 ff. BGB (vgl. § 16 Rdn 119). Gem. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB unterliegen sie aber insb. der Ausübungskontrolle im Einzelfall (BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149).

 

Rz. 305

Klauseln, die die Zuweisung von "den Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden" oder "zumutbaren" Tätigkeiten zulassen, werden als wirksam angesehen (vgl. BAG v. 12.4.1973, EzA Nr. 12 zu § 611 BGB; BAG v. 13.3.2007, DB 2007, 1985).

 

Rz. 306

Eine Zumutbarkeit ist hiernach dann gegeben, wenn es sich um die Übertragung einer gleichwertigen Tätigkeit bei gleicher Vergütung handelt, wobei die Orientierung anhand derselben Tarifgruppe erfolgt. Die früher als zulässig angesehenen Klauseln, die dem Arbeitgeber die Versetzung des Arbeitnehmers auch auf einen geringerwertigen Arbeitsplatz bei Fortzahlung der alten Vergütung erlauben (vgl. BAG v. 8.10.1962, AP Nr. 18 zu § 611 BGB "Direktionsrecht"; BAG v. 22.5.1985, AP Nr. 7 zu § 1 TVG "Tarifverträge: Bundesbahn") dürfte heute einer AGB-Kontrolle nicht mehr standhalten. In jedem Fall sollte aber bei Verwendung derartiger Klauseln der potenzielle Tätigkeitsbereich näher umschrieben oder das Zuweisungsrecht durch Angabe einer zumutbaren untersten Vergütungsgruppe begrenzt werden.

 

Rz. 307

Muster 17.18: Arbeitsvertragliche Änderungsvorbehalte

 

Muster 17.18: Arbeitsvertragliche Änderungsvorbehalte

"Der Arbeitnehmer tritt ab dem _________________________ in die Dienste des Arbeitgebers. Die Einzelheiten der Aufgabenstellung ergeben sich aus der Stellenbeschreibung, die in ihrer jeweiligen Fassung Bestandteil des Arbeitsvertrages ist. Der Arbeitgeber behält sich vor, dem Arbeitnehmer eine andere zumutbare Tätigkeit innerhalb des Betriebes zuzuweisen, die den Vorkenntnissen und Fähigkeiten des Arbeitnehmers entspricht. Auch bei unter Umständen länger dauernder Beschäftigung mit bestimmten Aufgaben wird dieser Vorbehalt nicht gegenstandslos."

 

Rz. 308

Überschreitet der Arbeitgeber die Grenzen seiner Weisungsbefugnis, ist der Arbeitnehmer zur Verweigerung der zugewiesenen Arbeit berechtigt. Er kann die Rechtswidrigkeit der arbeitgeberseitigen Weisung gerichtlich feststellen lassen und in dringenden Fällen dem Arbeitgeber die Erteilung einer beabsichtigten Weisung vorläufig im Wege der einstweiligen Verfügung untersagen lassen. Die darauf beruhende Arbeitsverweigerung ist nicht rechtswidrig und berechtigt den Arbeitgeber nicht zu Sanktionen, insb. nicht zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung (vgl. BAG v. 24.5.1989 – 2 AZR 285/88, DB 1989, 2538 = BB 1990, 212). Ohne seinen Entgeltanspruch zu verlieren, ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, der gegen § 306 Abs. 1 BGB i.V.m. § 315 BGB verstoßenden Weisung zu folgen (vgl. BAG v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16).

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