a) Ausgleich in einem der beteiligten Rechte
Rz. 281
Zur Verminderung der Widersprüche durch Angleichung (Anpassung) sind zwei Wege denkbar: Die Lösung kann sich schon aus einer der beteiligten materiellen Rechtsordnungen ergeben, insbesondere wenn hier die Beteiligung ermessens- oder als Unterhaltsanspruch bedarfsabhängig ausgestaltet ist.
Die Berechnung der family provision an den überlebenden Ehegatten nach englischem Erbrecht im Beispiel 1 erfolgt nach Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung, ob der Erblasser für den Ehegatten "angemessene finanzielle Vorsorge" getroffen hat. Soweit dieser bereits auf güterrechtlichem Wege ausreichend versorgt ist, entfällt wohl die "moralische Verpflichtung" des Erblassers zu erbrechtlichen Zuwendungen, ggf. wäre der Ertrag aus der güterrechtlichen Auseinandersetzung anzurechnen.
b) Bildung von "Sachnormen im IPR"
Rz. 282
Außerhalb der family provision und einiger sozialistischer Erbrechte sind jedoch Pflichtteile zumeist quotenmäßig fixiert und auch güterrechtliche Auseinandersetzungen erfolgen nach fixen Regeln. Hier kann eine Anpassung im Wege einer durch das IPR geschaffenen Sachnorm erfolgen, nach der der Pflichtteilsberechtigte insgesamt nicht mehr, aber auch nicht weniger erhält, als ihm jede der beteiligten Rechtsordnungen, wäre sie allein anwendbar, gewähren würde. Die Rechte sind daher, je nach Sachlage, entweder auf das so ermittelte Höchstmaß zu kürzen bzw. auf das Mindestmaß zu erhöhen. Diese Technik wird allgemein angewandt, um die sich aus der Kombination eines ausländischen Ehegattenerbrechts mit dem deutschen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1371 Abs. 1 BGB) ergebenden Probleme zu lösen (siehe Rdn 212).
c) Angleichung auf kollisionsrechtlicher Ebene
Rz. 283
Schwierigkeiten wirft die genannte Methode auf, wenn die beteiligten Rechte eine unterschiedliche Form der Beteiligung gewähren, die nicht miteinander verrechenbar sind, beispielsweise statt des vollen Eigentums Unterhaltsrenten, Vorerben-, Nießbrauchs- oder Nutzungsrechte. Die Umrechnung der güterrechtlichen Ausgleichsansprüche in Noterbquoten ist bisweilen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Auch kann dort, wo die anwendbaren Rechtsordnungen überhaupt keine Beteiligung vorsehen, mit einer Erhöhung oder Kürzung nicht gearbeitet werden, sondern es müssten unter erheblichem Eingriff in das ausländische Recht diesem unbekannte Rechtsinstitute implantiert werden. Hier kann praktisch nur ein Eingriff auf kollisionsrechtlicher Ebene helfen, indem man den gesamten Komplex entweder dem Güterstatut oder dem Erbstatut zuweist. Überwiegend wird von den Befürwortern dieser Lösung die Geltung des Güterstatuts auch für die erbrechtliche Beteiligung des Ehegatten am Nachlass favorisiert. Bei der Koordination von Erb- und Unterhaltsstatut werden Unterhaltsansprüche gegen den Nachlass dem Erbstatut zugeordnet.
So erhielte der überlebende Ehegatte im Beispiel 1 family provision nach den Grundsätzen des englischen Rechts, obwohl finnisches Recht Erbstatut ist. Im Beispiel 2 wäre neben der Beteiligung des überlebenden Ehegatten am Gesamtgut ein Pflichtteil entsprechend dem schottischen Recht ausgeschlossen.
Rz. 284
Anpassungsbedarf gibt es auch, wenn die Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts auf die gesetzliche Erbfolge nach ausländischem Erbstatut trifft. Hier scheidet die güterrechtliche Lösung aus, so dass der Zugewinnausgleich zugunsten des überlebenden Ehegatten auf güterrechtlichem Wege durchgeführt werden muss. Freilich kann dieser Ausgleich wiederum entfallen, wenn die ausländische gesetzliche Erbquote ohnehin schon das Niveau erreicht, das § 1931 Abs. 1 BGB vorsieht – also z.B. bei Geltung englischen Erbrechts.